"Annus Horribilis", eine Anspielung auf "annus mirabilis" ("Wunderjahr") ist seitdem ein Begriff, der eng mit dem britischen Königshaus verbunden wird. Auch 2019 dürfte als Schreckensjahr in die royalen Geschichtsbücher eingehen – und könnte 1992 sogar überholen. Ein Rückblick:
Prinz Philips Autounfall
Nach einem besinnlichen Weihnachtsfest im Kreise der Königsfamilie begann das Jahr für die Queen mit einem Schrecken. Denn ausgerechnet ihr Ehemann, der damals 97-jährige Prinz Philipp, sorgte im Januar für Empörung, als er sich hinter das Steuer seines Autos setzte und mit dem Wagen prompt einen Unfall baute. Der Wagen des Royals überschlug sich bei dem Aufprall, eines der weiblichen Opfer verletzte sich und brach sich das Handgelenk, eine andere Frau musste ins Krankenhaus und auch der Herzog von Edinburg musste sich behandeln lassen. Letztlich hatten sowohl er als auch die beteiligten Frauen Glück im Unglück, doch dass sich Prinz Philip einige Tage Zeit ließ, um sich zu entschuldigen, sorgte für Unmut im Volk. Aus PR-Sicht allerdings noch ungünstiger: Wenige Tage nach dem Unfall saß er bereits wieder hinterm Steuer seines Range Rovers – unangeschnallt.
Mittlerweile scheinen entweder er selbst oder aber seine Berater aus dem Unfall gelernt zu haben. Im Februar gab der leidenschaftliche Autofahrer seinen Führerschein ab.
Herzogin Meghan und Prinz Harry und ihre Trennung von den Cambridges
Im ersten Halbjahr von 2019 dominierte vor allem eine Geschichte die britische Medienlandschaft: Das (angebliche) Zerwürfnis zwischen Prinz Harry und Herzogin Meghan mit Prinz William und Herzogin Kate. Angefangen hatten die Spekulationen schon im Herbst 2018, befeuert wurden sie allerdings durch den Umzug Harrys und Meghans nach Frogmore Cottage. Damit einher ging eine Renovierung des Anwesens und die offizielle Trennung von den Cambridges. Während Harry, Meghan, William und Kate vorher noch gemeinsame Projekte unterstützt hatten, gehen sie nun beruflich getrennte Wege.
Und auch der Umgang der Sussexes mit der Geburt ihres Sohnes, Archie Harrison, stieß einigen traditionellen Royalisten übel auf. Denn Meghan wollte sich – anders als Kate und Diana – nicht direkt nach der Geburt mit dem Neugeborenen den Fotografen stellen. Und auch auf Fotos des Babys mussten Fans lange warten.
TV-Interview Nummer eins
Der große Knall folgte allerdings im Herbst. Während ihrer Afrikareise gaben Harry und Meghan bekannt, Teile der britischen Presse zu verklagen. Sie hätten Lügengeschichten verbreitet und so Stimmung gegen die beiden gemacht. Und auch der mutmaßliche Familienzoff wurden von den beiden selbst thematisiert – und zwar in einer TV-Dokumentation, die der Queen vermutlich nicht gefallen haben dürfte. Denn am Schluss des Beitrages erzählte Meghan dem Journalisten Tom Bradby, sie habe wirklich versucht, sich die "stiff upper lip" anzutrainieren. Diese unerschütterliche Einstellung der Queen, sich nie zu beschweren und nie zu erklären. Doch das liege ihr einfach nicht. Diese Aussage war nicht nur ein Seitenhieb gegen die britische Presse, sondern auch gegen das Königshaus selbst – denn Meghans Botschaft war klar: So wie die Dinge bisher gehandhabt wurden, so klappt es (zumindest bei ihr und Harry) nicht mehr.
Währenddessen schien Prinz Harry zu bestätigen, dass er und Prinz William sich derzeit nicht gerade grün seien. Sie beschreiten "verschiedene Wege", erklärte er im Interview. Royale Insider ließen danach verlautbaren, Prinz William "mache sich Sorgen". Fazit: Meghan und Harry werden auch im kommenden Jahr versuchen, das Königshaus umzukrempeln und den Umgang mit der Öffentlichkeit neu zu definieren. Die Frage ist nur, mit wie viel Gegenwind sie – nicht nur von der erbarmungslosen Presse, sondern vor allem aus ihrer Familie – rechnen müssen.
TV-Interview Nummer zwei oder: Der Eklat um Prinz Andrew
Eigentlich kommt der Eklat um den Lieblingssohn der Queen, Prinz Andrew, neun Jahre zu spät. Man könnte sich zu Recht fragen, warum die (britische) Öffentlichkeit nicht schon 2010 auf die Barrikaden gegangen ist. Denn damals spazierte Prinz Andrew fröhlich an der Seite des verurteilten Pädophilen Jeffrey Epstein durch den New Yorker Central Park und verbrachte anschließend vier Tage in dessen prunkvoller Villa in der Upper East Side. Tatsächlich wurde auch damals berichtet, doch erst in diesem Jahr, nach Epsteins Tod in einem New Yorker Gefängnis, wird auch der Royal für seine Rolle in Epsteins Leben verantwortlich gemacht.
Nachdem Andrew sich im Verlauf des Jahres mit öffentlichen Statements stets zurückgehalten hat, ging er Ende November in die Offensive. Das einhellige Urteil danach: Hätte er es doch bloß gelassen.
Rücktritt des Lieblingssohnes
Knapp 50 Minuten wurde der jüngere Bruder von Prinz Charles von BBC-Journalistin Emily Maitlis zu seiner Freundschaft mit Epstein befragt – und, ganz gleich worum es ging, der Prinz redete sich um Kopf und Kragen. Er behauptete, sich nicht an Virginia Roberts zu erinnern, die behauptet, den Royal 2001 kennengelernt und mit 17 mit ihm Sex gehabt zu haben. Tatsächlich meinte Andrew sich aber ganz genau zu erinnern, am 10. März 2001 mit seiner Tochter Beatrice in einem Pizza-Restaurant in Woking gegessen zu haben. Außerdem sagte er, Roberts' Erzählung, er habe stark geschwitzt, könne gar nicht stimmen. Schließlich habe er damals gar nicht schwitzen können, nachdem er im Falkland-Krieg angeschossen worden war.
Es sind nur zwei Beispiele aus dem Interview, die für Fassungslosigkeit, Belustigung aber vor allem für Wut sorgten. Wut, weil Andrew als Royal viele Privilegien genießt und sich offenbar keiner Schuld bewusst ist. Und Wut, weil es ihm nicht einmal einfiel, Epsteins Opfer in dem Interview zu würdigen. Nach drei Tagen, in denen Belege für Andrews Lügen gefunden wurden und diverse Sponsoren absprangen, verkündete der Prinz, von seinen royalen Aufgaben "auf absehbare Zeit" zurückzutreten. Für ihn hat das finanzielle Folgen.
Für die Monarchie dürfte der Eklat um Andrew einen noch größeren Einschnitt bedeuten. Denn das Königshaus verliert mehr und mehr an Sicherheit, schlimmer noch: Das Vertrauen der Briten ist nachhaltig erschüttert. Und die Stimmen derer, die sagen, das Konzept der Monarchie ist ohnehin überholt, dürften lauter werden. Als Oberhaupt des Palastes hat die Queen in den vergangenen Jahren – vor allem während der anhaltenden und ermüdenden Brexit-Verhandlungen – für Stabilität gesorgt. Doch dieses Konstrukt ist nun in Gefahr. Eine Lösung könnten Prinz Charles' Pläne sein, die Strukturen grundlegend zu verändern. "Er will eine schmalere, kosteneffizientere Monarchie", hat Robert Jobsen, Autor von "William & Kate: The Love Story" mal erklärt. In Charles' Vorstellungen wären nur die direkten Thronfolger mit Pflichten betraut und dürften Privilegien genießen. Sowohl Harry und Meghan als auch Prinz Andrew wären davon ausgeschlossen.
Mit 93 Jahren erlebt Queen Elizabeth II. erneut ein "Annus Horribilis". Ob es sich – historisch – als schrecklicher und folgenreicher herausstellen wird als 1992, wird sich zeigen. Dass die Monarchie sich verändern muss, ist allerdings schon jetzt klar.
Quellen: "Daily Mail" / "The Guardian" / "Vanity Fair" / Buckingham Palast