Die Musikwelt trauert um eine ihrer Ausnahmekünstlerinnen. Mit nur 56 Jahren ist Sinéad O'Connor gestorben. Zu Lebzeiten produzierte die 1966 in Dublin geborene Sängerin nicht nur positive Schlagzeilen. Viele ihrer späteren Tiefpunkte haben ihrer Wurzeln in ihrer Kindheit.
Sinéad O'Connor: bewegtes Leben geprägt von Traumata
O'Connor wuchs in der Hauptstadt Irlands auf. Ihre Eltern trennten sich, als sie acht Jahre alt war, durften sich aber damals in dem streng katholischen Land nicht scheiden lassen. Besonders das Verhältnis zu ihrer Mutter war von Missbrauch geprägt, wie O'Connor 2021 in ihrer Biografie "Rememberings" schrieb. Nach dem Unfalltod ihrer Mutter 1985 fand sie in deren Habseligkeiten Unmengen an Tabletten, vor allem Valium. "Sie brauchte nicht einmal mehr ein Rezept. Der Apotheker hat es ihr einfach gegeben", so O'Connor damals. Auch ihr ambivalentes Verhältnis zur Religion hat seine Wurzeln in ihrer Kindheit und der Beziehung zur Mutter. "Ich habe das einzige Foto, das sie jemals an der Wand ihres Schlafzimmers hatte, abgenommen: ein Bild von Papst Johannes Paul II.", beschrieb O'Connor die bizarre Situation nach dem Tod 1985.
"Es wurde aufgenommen, als er 1979 Irland besuchte. 'Junges Volk von Irland', hatte er gesagt, nachdem er auf dem Dubliner Flughafen einen Kuss auf den Boden gegeben hatte, als wäre der Flug zu beängstigend gewesen, 'ich liebe euch.' Was für ein Blödsinn. Niemand liebte uns. Nicht einmal Gott. Sicher, sogar unsere Mütter und Väter konnten uns nicht ausstehen", schrieb sie selbst. Es sollte genau das Foto vom Papst sein, das Jahre später zum größten TV-Skandal der Sängerin wurde.
1992 zerriss Sinéad O'Connor das Foto, das einst ihrer Mutter gehört hatte, in der US-Show "Saturday Night Live". "Bekämpft den wahren Feind", sagte sie in dem Moment, der unzählige Katholiken auf der Welt auf die Barrikaden gehen ließ. "Ich hatte schon immer die Absicht, das Papstfoto meiner Mutter zu zerstören. Es stand für Lügen, Lügner und Missbrauch. Die Art von Menschen, die diese Dinge aufbewahrten, waren Teufel wie meine Mutter. Ich wusste nie, wann, wo oder wie ich es zerstören würde, aber ich würde es zerstören, wenn der richtige Moment gekommen war. Und mit diesem Gedanken im Hinterkopf trug ich es von diesem Tag an sorgfältig überall mit hin, wo ich lebte. Denn niemand scherte sich einen Dreck um die Kinder in Irland", schrieb sie später in "Rememberings". O'Connor gab selbst an, von Geistlichen missbraucht worden zu sein.
Ambivalentes Verhältnis zu Religionen
Auch ihr Markenzeichen – ihr kahlrasierter Kopf – hatte einen traurigen Hintergrund. Ihre Mutter habe die Haare ihrer Schwester nicht gemocht, die von Sinéad aber durchaus. "Als ich lange Haare hatte, fing sie an, uns als ihre hübsche Tochter und ihre hässliche Tochter vorzustellen. Und deshalb habe ich mir die Haare abgeschnitten. Ich wollte nicht hübsch sein", sagte die Irin in einem Interview mit dem US-Fernseh-Psychologen Dr. Phil. "Ich wollte nicht vergewaltigt oder belästigt werden, ich wollte mich nicht wie ein Mädchen anziehen, ich wollte nicht hübsch sein. Andere Mädchen verprügelten dich, wenn du hübsch warst", erklärte sie.
Obwohl sie in den vergangenen Jahrzehnten stetig neue Musik produzierte und Konzerte gab, waren es am Ende ihres Lebens vor allem ihre wirren Aussagen, die ihr Aufmerksamkeit gaben. 2018 machte die Sängerin mit ihrer Konversion zum Islam von sich Reden. Auf Twitter gab sie bekannt, sich ab jetzt Shuhada' Davitt zu nennen. "Es tut mir furchtbar leid. Was ich jetzt sage ist so rassistisch, dass ich nie gedacht hätte, meine Seele könnte so fühlen", kündigte sie wenig später an. "Aber ich will wirklich nie wieder Zeit mit weißen Menschen verbringen (falls das der Begriff für Nicht-Muslime ist). Nicht einen Moment, egal weshalb. Sie sind ekelhaft", schrieb sie.
Diese Tränen rührten die Welt: Sinéad O'Connors Leben in Bildern

Doch während ihrer Mutter sie misshandelte, so O'Connor, erschien ihr Jesus. "Ich liebe Jesus, weil er mir eines Nachts in den Sinn kam, als meine Mutter mich auf dem Küchenboden festhielt. Ich war nackt und hatte überall Cornflakes und Kaffeepulver auf mir", schrieb sie in ihrer Biografie.
Tod ihres Sohnes
Ende 2020 kündigte sie an, ihre Tour, die für 2021 geplant war, abzusagen, "damit ich ein einjähriges Trauma- und Suchtbehandlungsprogramm beginnen kann, weil ich sechs sehr traumatische Jahre hatte und dieses Jahr war das Ende davon, aber jetzt beginnt die Genesung". Sie habe 2020 eine ihr nahe stehende Person verloren und deshalb noch andere Drogen als Marijuana konsumiert. Der "Nothing Compares 2 U"-Star erzählte außerdem, dass sie seit über 30 Jahren nach Gras süchtig und "mit vielen Traumata und Misshandlungen aufgewachsen" sei. "Ich bin dann direkt ins Musikgeschäft eingestiegen. Und habe nie wirklich gelernt, wie man ein normales Leben führt", erzählte O'Connor damals.
Zu heilen war ihr jedoch nicht vergönnt. Im Januar 2022 musste O'Connor die wohl schlimmste Tragödie ihres Lebens verkraften. Mit nur 17 Jahren beging ihr Sohn Shane Suizid. O'Connor kämpfte in der Zeit danach und bis zu ihrem Tod gegen starke psychische Probleme, nannte sich selbst eine "untote Nachtgestalt". "Ich habe jetzt die sterblichen Überreste meines Sohnes Shane offiziell identifiziert. Möge Gott dem irischen Staat verzeihen, denn ich werde es nie tun", schrieb sie damals auf Twitter. Mit 56 Jahren ist O'Connor jetzt eineinhalb Jahre nach ihrem Sohn gestorben. Sie hinterlässt drei Kinder.
Quellen: "Guardian" / "Metro"