Die israelische Armee hatte am Donnerstag mitgeteilt, sie habe den Chef der radikalislamischen Palästinenserorganisation bei einem Einsatz im südlichen Gazastreifen getötet. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte in einer Videoansprache zu Sinwars Tod, dieser sei "zwar nicht das Ende des Krieges in Gaza, aber der Anfang vom Ende".
Die Hamas bestätigte Sinwars Tod am Freitagnachmittag in einer Videobotschaft. "Wir trauern um den großen Anführer, den als Märtyrer gestorbenen Bruder", sagte darin der in Katar ansässige Hamas-Vertreter Chalil al-Hayya.
Einige Stunden zuvor hatte Bassem Naim, ein hochrangiges Mitglied des Hamas-Politbüros, erklärt: "Offenbar glaubt Israel, dass das Töten unserer Anführer das Ende unserer Bewegung und des Kampfes des palästinensischen Volkes bedeutet." Die Hamas sei aber mit jedem Tod eines ihrer Anführer "stärker und beliebter" geworden.
Der 61-jährige Sinwar galt als Drahtzieher des Hamas-Großangriffs auf Israel am 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg ausgelöst hatte. Das israelische Militär teilte mit, Sinwar sei am Mittwoch bei einem Feuergefecht in Rafah nahe der ägyptischen Grenze getötet worden. Die Nachricht von seinem Tod wurde aber erst am Donnerstag nach DNA-Tests verbreitet.
Netanjahus Büro erklärte, Biden habe Netanjahu telefonisch zur Tötung Sinwars gratuliert. Beide Politiker seien sich einig, dass es eine Möglichkeit gebe, "die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen voranzutreiben".
Zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer sprachen Scholz und Biden in Berlin darüber, welche Auswirkungen Sinwars Tod habe "auf die unmittelbare Notwendigkeit, die Geiseln zurück nach Hause zu ihren Familien zu bringen", "auf die Beendigung des Krieges in Gaza" sowie darauf, "dass humanitäre Hilfe die Zivilbevölkerung erreicht", wie die Bundesregierung am Freitagabend mitteilte.
Der in Katar ansässige Hamas-Vertreter al-Hayya erteilte den Hoffnungen auf eine baldige Freilassung der Geiseln eine Absage: Die Geiseln "werden nicht zurückkehren, bevor die Aggression gegen unser Volk im Gazastreifen aufhört, es einen kompletten Rückzug aus dem Gazastreifen gibt und unsere heroischen Gefangenen aus den Haftanstalten der Besatzer freigelassen werden", sagte er in einem Video.
Die iranische Vertretung bei der UNO in New York vertrat die Auffassung, durch Sinwars Tod werde der "Geist des Widerstands" in der Region gestärkt. Der Iran ist mit der Hamas eng verbündet.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte unterdessen ein Embargo der Vereinten Nationen für Waffenlieferungen nach Israel. Dies sei eine "wirksame Lösung", um dem Konflikt ein Ende zu bereiten.
Am 7. Oktober 2023 hatten Kämpfer der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen in mehreren Orten im Süden Israels nach israelischen Angaben mehr als 1200 Menschen getötet und 251 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Von den Geiseln werden derzeit noch 97 im Gazastreifen festgehalten, 34 von ihnen sind nach Einschätzung der israelischen Armee tot.
Israel geht seit dem Hamas-Angriff massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, mindestens 42.500 Menschen getötet. Die Vernichtung der Hamas ist erklärtes Kriegsziel Israels.
Israel flog unterdessen erneut Angriffe im Gazastreifen, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Das israelische Militär erklärte, es treibe seinen Einsatz in Dschabalija im Norden des Palästinensergebiets voran. Das Militär teilte zudem mit, es habe zwei Angreifer getötet, die aus Jordanien südlich des Toten Meers nach Israel eingedrungen seien. Die Muslimbruderschaft in Jordanien teilte AFP mit, es habe sich um zwei ihrer Mitglieder gehandelt.
Die mit der Hamas und dem Iran verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon kündigte unterdessen "den Übergang zu einer neuen und eskalierenden Phase" im Konflikt mit Israel an. Die Raketenangriffe der Hisbollah würden "von Tag zu Tag" weiter "eskalieren", dabei kämen nun auch erstmals "präzisionsgelenkte Raketen" zum Einsatz. Am Freitagabend meldete die Hisbollah Raketenangriffe auf Haifa im Norden Israels sowie den Abschuss einer "Raketensalve" auf Gebiete nördlich der Hafenstadt.
Israel kündigte an, eine weitere Brigade in den Norden an die Grenze zum Libanon zu verlegen.