Presseschau zum slowakischen EFSF-Widerstand Von Systemfehlern und Brüsseler Mühlen

Der slowakische Widerstand hat in der europäischen Presse die Debatte um den Euro-Rettungsschirm angeheizt. Während französische Medien das politische System der EU in die Verantwortung nehmen, sieht eine tschechische Tageszeitung die slowakische Politik in den Mühlen Brüssels zugrunde gehen. Eine Presseschau.

"Le Figaro" (Frankreich)

"Die Entscheidung des slowakischen Parlaments droht die Schuldenkrise in der Eurozone zu verschlimmern. (...) Weder die Mahnrufe der EU-Kommission, noch die Appelle von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, der von einer Krise mit systemischer Dimension sprach, haben etwas genützt. Ebenso wenig die Zusicherungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nach der die Eurozone den politischen Willen hat, die Krise zu überwinden. (...) Nur wenige Tage vor dem für den 23. Oktober geplanten EU-Gipfel bleibt die Euro-Rettung ein Thema, das spaltet."

"Les Echos" (Frankreich)

"Die Geschichte wird festhalten, dass es in Bratislava war (...), wo der Zug zur Euro-Rettung angehalten zu werden drohte. Gestern mussten die slowakischen Abgeordneten (...) über die Ausweitung des EFSF-Fonds abstimmen, der Embryo eines wirklichen Europäischen Währungsfonds (...) Aber peng! Die slowakische Regierungsmehrheit steht kurz vor der Explosion und das Parlament ist nicht in der Lage, dem Text seine Zustimmung zu geben (...) Dieses Ereignis, wie auch immer es ausgeht, zeigt einmal mehr die Absurdität der Abläufe in Europa. Die Stimme der Slowakei mit fünf Millionen Einwohnern ist genauso bedeutsam wie die Deutschlands, Frankreichs oder Italiens für die Zukunft Griechenlands und des Euro. (...) Diese Gleichheit der Staaten ist nicht praktikabel, wenn sie das Herzstück des Systems der Entscheidungen betrifft und diese wie jetzt dringend getroffen werden müssen."

"L'Eclair des Pyrénées" (Frankreich)

"Konkret könnten Frankreich und Deutschland eine Methode zur Rekapitalisierung der Banken vorschlagen, einen Teilerlass griechischer Schulden, um die Last zu erleichtern, und auf institutioneller Ebene die Entwicklung eines Mehrheitsvotums zugunsten der Regel der Einstimmigkeit, um Entscheidungen einfacher zu machen. Dann bleibt sicher noch, die Änderungen in den anderen Ländern durchzubringen, die immer misstrauisch sind, wenn es um das deutsch-französische Tandem geht. Aber sie können nicht gleichzeitig der französischen und vor allem der deutschen Regierung ihre Verzagtheit vorwerfen, ihr Fehlen von Führungsstärke und sie gleichzeitig daran hindern, zu handeln. Vor allem, weil die slowakische Haltung, die den Rettungsplan für Griechenland blockiert, die Perversität eines Systems gezeigt hat, wo ein Staat mit einigen Millionen Einwohnern das Bankensystem des Kontinents in Gefahr bringen kann."

"Lidove Noviny" (Tschechien)

"Der Vorsitzende der kleinsten Koalitionspartei, Richard Sulik, hat zum Euro-Rettungsschirm "Nein" gesagt und ist auch dann standhaft geblieben, als die Ministerpräsidentin die Rücktrittskarte zückte. (...) Die Slowaken werden nun als unverantwortliche Grabesträger des Euro aus dem Wilden Osten angefeindet. Sie werden mit Sicherheit genötigt, über den Euro-Rettungsschirm ein weiteres Mal abzustimmen, wie es bei der irischen Abstimmung zum Lissabonvertrag geschehen ist. Schon die nächsten Tage könnten jedoch zeigen, dass es zum Schutzschirm eine Alternative gibt - den Bankrott Griechenlands und die Rekapitalisierung der Banken. Also genau das, was Politiker in Bratislava gefordert hatten, bevor sie in den Mühlen von Brüssel zermahlen wurden."

"Independent" (Großbritannien)

"Wenn jemand eine Schuld nicht zurückzahlen kann, dann macht es nicht viel Sinn, damit zu drohen, ihn ins Gefängnis zu werfen und noch weniger, so zu tun, als könne er dafür einstehen. Das gilt für Einzelpersonen genauso wie für Firmen und für Staaten. Der kluge Kreditgeber kalkuliert, wie viel realistischerweise zurückgezahlt werden kann, schreibt den Rest ab - und schwört sich, den Fehler nicht noch einmal zu machen. So ist das auch mit Griechenland. Das europäische Oberkommando in Form von Angela Merkel und Nicholas Sarkozy hat akzeptiert, dass es einen Deal geben muss - etwas, das seit fast einem Jahr mehr als offensichtlich ist. Und dieser Deal wird beinhalten, dass Griechenland nur die Hälfte seiner Schulden zurückzahlt."

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