Silvesternacht Tausende Einsätze, zahllose Verletzte, einige Tote – 2023 beginnt für Einsatzkräfte mit einem Kraftakt

Silvesternacht Angriffe Unfälle
In der Silvesternacht kam es in Teilen Deutschlands zu Angriffen auf Einsatzkräfte – hier im Leipziger Stadtteil Connewitz.
© Sebastian Willnow / DPA
Mehrere Tote, Angriffe auf Polizei und Feuerwehr, brennende Autos und alkoholisierte Autofahrer: Einsatzkräfte hatten in der vergangenen Nacht keine ruhige Sekunde – nur dort, wo es Feuerwerksverbotszonen gab.

In Deutschland haben die Menschen erstmals seit 2019 wieder weitgehend ohne pandemiebedingte Einschränkungen Silvester gefeiert. Polizei und Rettungsdienste zogen dabei in der Nacht zu Sonntag eine gemischte vorläufige Bilanz. Während etwa die Polizei in Sachsen "insgesamt ruhige" Silvesterfeierlichkeiten meldete, verzeichnete die Polizei Berlin "deutlich" mehr Einsätze als in den vergangenen beiden Jahren. Dabei kam es wiederholt zu Angriffen auf Polizeibeamte und Feuerwehrleute.

Berlin versank im Chaos

Einem Sprecher der Polizei Berlin zufolge machte sich die Rückkehr erlaubter Pyrotechnik an Silvester in der Hauptstadt bemerkbar. Bei vielen Einsätzen sei es um Brände in Wohnungen und Fahrzeugen gegangen. Die Leute seien auf den Straßen und hätten offenbar viele Feuerwerkskörper einkauft. Sowohl Polizeibeamte als auch Feuerwehrleute seien bei Einsätzen durch Feuerwerkskörper verletzt worden, fügte der Sprecher hinzu.

Die Polizei Berlin schrieb im Onlinedienst Twitter ausführlich zu den Einsätzen. Demnach wurden in mehreren Stadtteilen gezielt Fahrzeuge und Gebäude sowie Menschen mit Feuerwerkskörpern beschossen. 

Die Feuerwehr Berlin schrieb auf Twitter, dass ein Löschfahrzeug durch den "Beschuss durch Pyrotechnik" massiv beschädigt wurde. Beim Brand eines Reisebusses im Bezirk Neukölln hätten die Einsatzkräfte "eine große aggressive Menschenmenge" angetroffen und seien "mit Pyrotechnik beschossen" worden, teilte die Feuerwehr mit. Beim Einsatz an einer brennenden Straßenbarrikade seien die Einsatzkräfte mit Steinen und Eisenstangen angegriffen worden.

Die Leitstelle sei mit 70 Mitarbeitern besetzt gewesen. Bis Mitternacht seien bereits 674 Notrufe eingegangen, erklärte die Berliner Feuerwehr. Zu den größeren Einsätzen gehörten brennende Dachgeschosse zweier Mehrfamilienhäuser in den Bezirken Spandau und Neukölln. Insgesamt ist die Berliner Feuerwehr zum Jahreswechsel mehr als 1700 Einsätze gefahren, fast 700 mehr als vor einem Jahr während der Corona-Beschränkungen. Das geht aus einer vorläufigen Bilanz vom Neujahrsmorgen hervor.

Von Knallern und Raketen wurden demnach 22 Menschen verletzt. In 38 Fällen seien Einsatzkräfte angegriffen und 15 von ihnen verletzt worden, einer der verletzten Retter musste ins Krankenhaus: "Dieses Verhalten ist durch nichts zu rechtfertigen und ich kann es nur auf das Schärfste verurteilen", sagte Landesbranddirektor Karsten Homrighausen.

Schwere Unfälle mit Pyrotechnik – mehrere Tote

Aus den übrigen Bundesländern wurden vor allem Brände gemeldet. Im nordrhein-westfälischen Balve kam eine Frau bei einem Wohnungsbrand ums Leben. Die Brandursache ist allerdings noch unklar. In Unna wurde ein zweijähriges Kind durch Feuerwerk schwer verletzt. Der Junge war gegen Mitternacht mit seinen Eltern auf der Straße, um den Jahreswechsel zu feiern, wie die Polizei mitteilte. Dabei sei "ein pyrotechnischer Gegenstand in die Kapuze" des Kindes gelangt. Noch bevor die Eltern den Böller herausholen konnten, explodierte dieser. Die Familie suchte umgehend ein nahe gelegenes Krankenhaus aus. Dort wurden bei dem Jungen Verbrennungen am Hinterkopf festgestellt. Er wurde schwer verletzt in eine Unfallklinik verlegt. Die Polizei sucht nun Zeugen des Vorfalls mit dem Feuerwerkskörper. 

In Thüringen wurden zwei Männer durch "unsachgemäßen Gebrauch von Pyrotechnik" schwer verletzt: Im Landkreis Gotha verlor ein 42-Jähriger nach Angaben der Polizei durch die Detonation "einer Kugel- oder Rohrbombe" seine beiden Unterarme. Ein 21-Jähriger im Landkreis Schleiz habe ebenfalls mit einer sogenannten Kugelbombe experimentiert, die unkontrolliert explodiert sei und ihm eine Hand abgerissen habe, erklärte die Polizei weiter. 

In Leipzig ist in der Silvesternacht ein 17-Jähriger während des Hantierens mit Feuerwerk tödlich verletzt worden. Der junge Mann sei im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen, teilte die Leipziger Polizei am Sonntag mit. Ein Fremdverschulden sei in dem Fall bislang auszuschließen. Weitere Details nannten die Beamten zunächst nicht.

Die Polizei Sachsen sprach von "kleineren Bränden aufgrund von fehlgeleiteter Pyrotechnik". Dem Polizeipräsidium Südhessen zufolge bewegte sich die Zahl der Einsätze wegen "Randalierern, Schlägereien und sonstigen Streitigkeiten" bis Mitternacht "auf dem üblichen 'Wochenendniveau'". 

"Die linke Hand komplett weggesprengt"

In Sachsen-Anhalt zog sich ein Mann in Weißenfels schwere Verletzungen beim Zünden eines Böllers zu. Er habe sich "die linke Hand komplett weggesprengt, da war nichts mehr zu retten", sagte der Leitende Oberarzt der Spezialklinik für Handchirurgie und Brandverletzungen des BG Klinikums Bergmannstrost, Cord Corterier, der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem sei er auch an der rechten Hand verletzt und habe das linke Augenlicht verloren.

In der Nacht auf Sonntag wurden in der Handchirurgie rund 15 Personen behandelt. Man habe die ganze Nacht durchgehend Menschen operiert, sagte Corterier. Durch das Verkaufsverbot von Böllern und Co. im Zuge der Corona-Pandemie habe es in den vergangenen zwei Jahren an Silvester deutlich weniger Verletzungen gegeben. "Dieses Jahr ging es wieder so schlimm los wie vorher."

Ebenfalls in Sachsen-Anhalt wurde ein Fußgänger beim Anzünden von Feuerwerkskörpern auf der Straße von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Der 42-Jährige wurde durch die Wucht des Aufpralls am frühen Sonntagmorgen mehrere Meter weit über die Fahrbahn geschleudert, wie die Polizei mitteilte. Er starb noch am Unfallort in Schönebeck (Elbe). Der 61 Jahre alte Autofahrer beging nach dem Unfall Fahrerflucht. Ein Zeuge folgte ihm und konnte ihn laut Polizei zum Umkehren bewegen. Danach wurden bei dem 61-Jährigen 1,86 Promille gemessen. Ihm wurden eine Blutprobe und der Führerschein abgenommen.

Keine schweren Vorkommnisse – da, wo man nicht knallen durfte

In Bochum kam es laut Feuerwehr zu "deutlich mehr Verletzungen durch Feuerwerkskörpern" als in den Vorjahren. Insgesamt sei der Jahreswechsel wegen der wegfallenden Einschränkung beim Böllern "sehr einsatzreich" verlaufen. 

In Stuttgart, wo innerhalb des City-Rings eine Feuerwerksverbotszone eingerichtet worden war, kam es laut Polizei zu keinen schwerwiegenden Vorkommnissen. Das Einsatzkonzept sei aufgegangen, "wir sind mit dem bisherigen Verlauf der Silvesternacht sehr zufrieden", erklärte Polizeisprecher Timo Brenner.

DPA
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