Trauer um Tiere Inferno im Krefelder Zoo – warum bewegt uns der Tod der Affen so sehr?

"Wir werden euch vermissen!" steht auf einem Zettel vor dem Krefelder Zoo, in dem 30 Affen bei einem Brand starben
"Wir werden euch vermissen!" steht auf einem Zettel vor dem Krefelder Zoo, in dem 30 Affen bei einem Brand starben
© Marcel Kusch / DPA




Nach dem verheerenden Brand im Krefelder Zoo ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine 60 Jahre alte Krefelderin und ihre beiden erwachsenen Töchter. Die drei Frauen hätten sich selbst bei der Polizei gemeldet und dort angegeben, dass sie in der Silvesternacht fünf Himmelslaternen hätten aufsteigen lassen, sagten Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Man gehe davon aus, dass eine dieser Himmelsleuchten den Brand des Affenhauses verursacht habe. Dies werde aber derzeit noch genau geprüft, um andere Ursachen auszuschließen. Die anderen vier Leuchten habe man sichergestellt. Durch das Feuer war das Affenhaus abgebrannt, mehrere Menschenaffen starben. Kriminalhauptkommissar Gerd Hoppmann bezeichnete es als "sehr couragiert" und "hochanständig", dass sich die drei Frauen im Alter zwischen 60 und 30 Jahren selbst bei der Polizei gemeldet hätten. Es handele sich um "ganz normal bürgerliche Menschen". Die drei Frauen hätten die Himmelslaternen im Internet bestellt und dachten nach eigenen Angaben, dass es an Silvester erlaubt sei, sie steigen zu lassen. Tatsächlich sind sie aber in ganz Deutschland verboten. Gegen die drei Frauen wird nun wegen fahrlässiger Brandstiftung ermittelt. Darauf steht ein Haft- oder Geldstrafe. "Für uns ist damit diese Tat weitgehend geklärt", sagte Hoppmann. Ein Feuerwehrsprecher sagte, man sei überrascht gewesen, wie schnell das Dach des Affenhauses gebrannt habe. Eine Sprinkler- oder Brandmeldeanlage habe es nicht gegeben, dies sei zum Zeitpunkt des Baus 1975 aber auch nicht vorgeschrieben gewesen. Eine Zoosprecherin sagte, das Haus sei völlig zerstört, die Überreste würden nach dem Ende der Ermittlungen abgerissen. Der Zoo werde voraussichtlich am Freitag wieder öffnen. Der Brandort werde mit Absperrungen versehen, um einen "Katastrophentourismus" so weit wie möglich zu verhindern. 2009 war in Siegen ein zehn Jahre alter Junge gestorben, weil ein Haus durch eine Himmelslaterne in Brand geraten war. Der Prozess gegen einen 23 Jahre alten Mann wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Brandstiftung wurde später gegen Auflagen eingestellt. Das Gericht sah nur eine geringe Schuld des Mannes, der den Lampion hatte aufsteigen lassen. Damals war das allerdings auch noch nicht verboten. Ein Brandsachverständiger sagte damals im Gericht, mit einer Himmelslaterne schicke man ein unkontrollierbar offenes Feuer in die Luft. Die leichten Papierhüllen könnten jederzeit in Brand geraten: Dann stürzen sie brennend als Fackel nach unten. Das ist ein wirkliches Höllenfeuer."
Nach der Brandkatastrophe im Krefelder Zoo ist die Anteilnahme groß. Fotocollagen von Silberrücken Massa und Briefe schmücken den Eingang. Warum empfinden wir so große Trauer nach dem Tod der Tiere im Affengehege? Ein Erklärungsversuch.

Dass eingesperrte Tiere in Deutschland qualvoll verbrennen, ist nicht extrem selten. Manchmal sind es ein paar Dutzend Rinder, mal aber auch gleich Tausende Schweine oder Puten, die elendig im Feuer verenden, wenn irgendwo eine Scheune oder eine Zuchtanlage in Brand gerät. Wer beispielsweise die Wörter "Scheune", "Brand" und "Schweine" googelt, bekommt eine ganze Auswahl an Artikeln zu dem Thema aus den vergangenen Jahren.

In der Regel beklagen nach solch einem Brand ein paar Tierschützer wütend die Zustände in der Massentierhaltung, meist wird noch der Schaden vorgerechnet, den der Halter der Tiere erlitten hat – große Anteilnahme in der Bevölkerung bleibt aber in den meisten dieser Fälle aus. Tausende Lebewesen sterben qualvoll in einem brennenden Gebäude? Wirklich emotional erreichen kann eine solche Nachricht die Menschen nur noch selten.

Das Orang-Utan Baby "Suria" klammert sich im Zoo in Krefeld an seine Mutter "Lea"
Das Orang-Utan Baby "Suria" klammert sich im Zoo in Krefeld an seine Mutter "Lea". Beide Tiere starben bei dem Inferno im Krefelder Zoo in der Neujahrsnacht
© Roland Weihrauch

Das ist dieses Mal anders: Bei dem Inferno in der Silvesternacht im Krefelder Zoo wurden – so könnte man zynisch sagen — "nur" etwa 30 Tiere getötet, darunter mehrere Menschenaffen. Aber in diesem Fall ist die Anteilnahme riesig. Seit dem Neujahrstag erinnert ein Meer aus Kerzen, Stofftieren und persönlichen Worten auf Pappschildern beim Krefelder Zoo an die Tiere, die im Affenhaus des Tierparks so elendig verbrannten. Menschen weinen vor dem Zoo. Der Zoodirektor spricht im WDR-2-Interview davon, dass nach dem Brand die Trauerverarbeitung im Vordergrund stehe, und bis Donnerstagmittag kamen mehr als 4000 Geldspenden in dem Tierpark an.

Auch im Netz viel Anteilnahme mit dem Krefelder Zoo

Auf Twitter verliehen Menschen ihrem Mitgefühl Ausdruck – ebenso wie der Wut darüber, dass dieser Brand offenbar durch Himmelslaternen ausgelöst wurde, also durch eine Kleinigkeit, die zur großen Katastrophe wurde. Am Arbeitsplatz und privat in den Familien ist der Brand im Affenhaus ein Thema, das uns bewegt.

Aber warum trauern wir, wenn einige Affen verbrennen? Warum ist das Mitgefühl hier so groß? Größer als bei anderen getöteten Tieren – und teilweise sogar größer als mit Menschen, von deren Schicksalen wir beinahe täglich in den Nachrichten hören? Menschen, die bei Unfällen, Unglücken oder in Kriegen umkommen. Ist es nicht zynisch, um ein paar Affen zu trauern – aber nur wenig zu empfinden, wenn irgendwo in der Welt ein Flugzeug in eine Mauer kracht oder ein Boot mit Migranten sinkt und dabei Dutzende Menschen sterben?

Der Unterschied liegt vermutlich in dem Grad der Abstraktion – oder umgekehrt: darin, wie detailliert wir uns solch ein Unglück vorstellen können und mit diejenigen mitfühlen, die dabei hilflos starben.

Beinahe jeder dürfte ein Bild im Kopf haben, wenn er an Menschenaffen denkt. Diese Tiere sind dem Menschen recht ähnlich. Fotos von Orang-Utan-Müttern mit ihren Kindern erinnern uns an Menschenmütter. Zudem haben wir alle einmal einen Zoo besucht, meistens mit unseren Familien, haben also persönliche Erinnerungen, eine Art der Beziehung – das löst Emotionen aus. Und vielleicht macht es uns auch wütend, wenn wir daran denken, dass der Tod der Tiere im Krefelder Zoo vollkommen sinnlos war – er wurde vermutlich durch ein Silvesterritual ausgelöst, das niemand braucht und niemand vermissen würde. Verboten ist es zudem ohnehin.

Menschen haben Mitgefühl — nicht nur mit Menschen

Mitgefühl ist eine wunderbare menschliche Eigenschaft. Wunderbar vor allem auch deswegen, weil wir sie — und das zeigt der Fall des Krefelder Zoos — auch für andere Lebewesen aufbringen können. Insofern ist es völlig normal, dass wir so viel Mitgefühl mit den Affen des Krefelder Zoos empfinden. Dass wir umgekehrt oft mit Kriegs- oder Unfallopfern weniger mitleiden, liegt wohl nicht daran, dass wir völlig abgestumpft sind, sondern daran, dass solche Nachrichten uns meist in einer distanzierten, sterilen Sprache erreichen. Sie sind traurigerweise zum wiederkehrenden Bestandteil vieler Nachrichten geworden. Emotionen haben dabei nur wenige Anknüpfungspunkte.

Sobald aber Einzelschicksale in den Vordergrund rücken, empfinden viele Menschen großes Mitgefühl. So war es beispielsweise im Falle des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi, dessen Bild 2015 um die Welt ging und große Anteilnahme auslöste. Dieses Foto löste vermutlich mehr Emotionen aus als alle Fernsehbilder von zerstörten syrischen Städten zuvor.

Jetzt trauern wir um die Affen und die anderen verbrannten Tiere im Krefelder Zoo. Das ist nicht seltsam – es ist sehr menschlich.

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