Todesurteil wegen Drogen Mark Swidan sitzt seit zehn Jahren in China in Haft – eine Freilassung hängt auch vom Verhältnis zu den USA ab

Seit über zehn Jahren sitzt der Amerikaner Mark Swidan in China in Haft. Alle Versuche der US-Regierung, Swidan zurück in die USA zu holen, scheiterten bislang – auch wegen der schwierigen Beziehung beider Länder.
Seit über zehn Jahren sitzt der Amerikaner Mark Swidan in China in Haft. Alle Versuche der US-Regierung, Swidan zurück in die USA zu holen, scheiterten bislang – auch wegen der schwierigen Beziehung beider Länder.
© Getty Images
Der US-Bürger Mark Swidan wurde wegen eines Drogendelikts in China zum Tode verurteilt. Selbst ein UN-Gremium zweifelt das Urteil an. Doch das Leben Swidans hängt wohl auch von den Beziehungen zwischen USA und China ab.

Als Mark Swidan im November 2012 die USA in Richtung China verließ, ahnte er noch nicht, dass er womöglich nicht zurückkehren wird. Swidan, ein Designer und Fotograf, war für einen Geschäftstrip nach China gereist. Der damals 35-Jährige bereitete sich am Abend des 13. November auf die Rückreise nach Houston vor, als er auf seinem Hotelzimmer von der Polizei verhaftet wurde – während er mit seiner Mutter Katherine telefonierte. Die Beamten warfen dem Amerikaner Drogenhandel vor, sowohl bei seinem Fahrer als auch bei seinem Übersetzer waren Drogen gefunden wurden. Beide gaben Swidan die Schuld, bei dem jedoch laut der Menschenrechtsorganisation Dui Hua keinerlei Drogen gefunden wurden. Doch das interessierte die Beamten nicht, Swidan wird in ein Gefängnis nach Jiangmen gebracht, wo ihn das US-Konsulat erst Wochen später ausfindig macht und wo er noch bis heute sitzt.

Swidan und weitere Angeklagte müssen bis zum November 2013 ausharren, bis sie überhaupt erstmals vor einem Gericht sitzen, erst 2019 fällt das Urteil: Todesstrafe. Nicht nur die USA gehen von einem ungerechtfertigten Urteil aus, sondern auch die Vereinten Nationen. Die Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen, ein Gremium unabhängiger Menschenrechtsexperten, verurteilte den Umgang mit dem Gefangenen. "Die Beweise gegen Mark Swidan, die in der Anklageschirft angegeben sind, sind schwach und basieren ausschließlich auf Hörensagen", heißt es in einem Brief der Gruppe, der nach dem Urteil veröffentlicht wurde. Es seien keine Drogen bei Swidan gefunden worden und die Strafverfolgung habe weder forensische noch telefonische Beweise, wie Emails oder Anrufe, vorgelegt. "Wenn man die Daten mit seinem Reisepass abgleicht, war Mark Swidan nicht mal in China, als sich die angebliche Straftat ereignet haben soll", schrieben die Experten in dem Brief. Zusätzlich hätte keiner der elf weiteren Angeklagten ihn identifizieren können.

Mark Swidan: Todesurteil erneut bestätigt – und ausgesetzt

Doch die chinesische Justiz will sich dem Druck nicht beugen. Erst unter der Woche wurde das Todesurteil gegen Swidan erneut bestätigt, die Vollstreckung jedoch für zwei Jahre ausgesetzt. "Wir sind enttäuscht von dieser Entscheidung und werden uns dennoch weiterhin für die umgehende Freilassung einsetzen", erklärte Vedant Patel, Sprecher des US-Außenministeriums, am Mittwoch. 

Im Zentrum des US-Interesses steht neben der Freilassung aber auch die Gesundheit des Amerikaners. Gegenüber "CNN" beschrieb Swidans Mutter Katherine die Zustände im Gefängnis als Terror. "Er sitzt seit über zehn Jahren in seiner Zelle, in der nie das Licht ausgemacht wird. Als Folge dessen erblindet er", klagte die Mutter. Swidan habe sich zudem mehrfach das Bein gebrochen und Gefängniswärter hätten ihm bereits mehrfach die Hand gebrochen. Dazu habe er insgesamt schon knapp 60 Kilo an Gewicht verloren.

Auch die Menschenrechtsorganisation Dui Hua kritisierte immer wieder die menschenunwürdigen Zustände im Gefängnis. "Er wird vom Schlafen und Essen abgehalten, von den Wärtern misshandelt und hat mit seiner Mutter in den vergangenen Jahren ein Telefonat führen dürfen", heißt es auf der Homepage der Organisation. "Wir haben schon mehrfach gegenüber den chinesischen Behörden unsere Bedenken hinsichtlich der Behandlung, der medizinischen Versorgung und dem fehlenden Zugang zu Kommunikationsmitteln zum Ausdruck gebracht", monierte auch Vedant Patel in seiner Stellungnahme am Mittwoch. Er versicherte zugleich, dass Präsident Joe Biden und Außenminister Antony Blinken persönlich darin involviert seien, Swidan und anderen weltweit ungerechtfertigt inhaftierte oder als Geisel genommene US-Bürger zu befreien. 

China will keinen Besuch von Blinken

Experten gehen jedoch davon aus, dass eine Freilassung Swidans auch an die Entwicklung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen geknüpft ist. Als die Amerikaner Anfang Februar einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon vom Himmel vor der US-Küste schossen, sagte Blinken seinen für wenige Tage später geplanten Besuch in China ab. Ein herber Rückschlag für Swidans Familie sowie die Familien weiterer in China inhaftierter US-Bürger. Diese hatten noch Mitte Januar einen Appell an Blinken gerichtet, sich bei seinem Besuch für die Freilassung der Familienmitglieder öffentlich einzusetzen.

Ein weiterer Besuch Blinkens in China ist mit den wachsenden Spannungen in den Beziehungen beider Länder in den kommenden Monaten unwahrscheinlich. Als Folge des Abschusses des Spionageballons, von dem China weiterhin behauptet, dass es sich um einen verirrten Wetterballon handelt, verweigert die chinesische Regierung laut einem Bericht der "Financial Times" vom Samstag ein Treffen mit Blinken. Chinesische Offizielle seien besorgt, dass die US-Regierung den FBI-Untersuchungsbericht mitsamt Beweisen veröffentlichen könnten – im schlechtesten Fall während eines China-Besuchs von Außenminister Blinken. Bislang sei jedoch völlig unklar, ob der Bericht überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde, heißt es in dem Bericht.

Hinzu kommt der Konflikt um Taiwan. In Folge der Ein-China-Politik betrachtet China das Land als Teil des historischen Territoriums und ließ unweit der Küste zuletzt immer wieder Militärübungen absolvieren. Die USA betrachten den Inselstaat jedoch als unabhängigen Verbündeten und sicherten dem Land militärische Unterstützung im Falle eines chinesischen Angriffs zu. Erst Mitte Februar unterzeichneten die USA mit den Philippinen einen Vertrag, der es den Amerikanern ermöglicht, vier weitere Militärstützpunkte auf dem Inselstaat unweit von Taiwan zu errichten.

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Twitter / X integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

In der US-Politik entwickelt sich so ein seltener Moment der Einigkeit. Der aus Texas stammende US-Senator Ted Cruz griff die chinesische Regierung nach der Bestätigung des Todesurteils am Mittwoch scharf an. "Mark Swidan wurde wegen falscher Anschuldigungen zum Tode verurteilt. Die heutige Entscheidung des chinesischen Gerichts ist ungeheuerlich", schieb der Republikaner auf Twitter. Das bestätige, dass China sich aktiv an der Geiselnahme beteilige und diese als Mittel der Erpressung nutzen würde. "China möchte gerne ein Teil der Weltgemeinschaft sein, aber diese Taktiken werden nur von Despoten aus der Dritten Welt genutzt", so Cruz. 

Der Fall Swidans rückt auch deshalb in den Fokus, weil ein ähnlicher Fall in Russland im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt hat. Bei der Einreise ins Land wurde die US-Basketballerin Brittney Griner wegen des Besitzes von 0,7 Gramm Cannabis verhaftet und zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach fast zehn Monaten in Gewahrsam wurde sie Anfang Dezember gegen den russischen Waffenhändler Wiktor But ausgetauscht – kurz zuvor hatten sich US-Präsident Biden und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping beim G20-Gipfel auf Bali erstmals persönlich getroffen. In den USA sorgte der Fall auch deshalb für Kritik, weil mit Paul Whelan ein weiterer US-Bürger seit 2018 wegen angeblicher Spionage in Haft sitzt, jedoch nicht mit in den Austausch einbezogen wurde. (Warum die USA Griner Whelan vorzogen, lesen Sie hier)

PRODUKTE & TIPPS