Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger hat erneut schwere Vorwürfe gegen die Stadt Duisburg und den Veranstalter der Loveparade erhoben. In einer Sondersitzung des Innenausschusses am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag warf der SPD-Politiker der Stadt vor, die Auflagen, die dem Veranstalter um den Fitnessunternehmer Rainer Schaller für die Großveranstaltung gemacht wurden, nicht kontrolliert zu haben. Der Veranstalter wiederum habe sein eigenes Sicherheitskonzept nicht eingehalten und kommerzielle Ziele zur Leitlinie seines Handelns gemacht.
Am 24. Juli waren auf der Raverparty bei einer Massenpanik 21 Menschen ums Leben gekommen und über 500 verletzt worden. Dem Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) wird vorgeworfen, Sicherheitsbedenken in den Wind geschlagen zu haben. Einen sofortigen Rücktritt, wie aus Politik und Gesellschaft gefordert, lehnte er wiederholt ab.
Jäger: Duisburg mauert
Für die Sondersitzung, die mit einer Gedenkminute begann, wurden die Abgeordneten aus dem Urlaub zurückgerufen. Doch wirklich neue Erkenntnisse gab es offenbar nicht. Innenminister Jäger kritisierte, dass sowohl die Stadt als auch Schaller bei der Aufklärung der Ursachen für die Katastrophe nicht mitarbeiten würden. Es werde gemauert. Die von drei Fraktionen eingereichten Fragen an die Stadt Duisburg seien nicht beantwortet worden.
Stattdessen, so Jäger, sei eine 31-seitige anwaltliche Stellungnahme am späten Dienstagabend dem Innenministerium zugeleitet worden. In dem Bericht einer Anwaltskanzlei heißt es, es lägen "keine Erkenntnisse dafür vor, dass Mitarbeiter der Stadt Duisburg ihre gesetzlichen Pflichten verletzt hätten und auf diese Weise zum Unglück beigetragen oder es gar verursacht hätten". Allerdings hätten vermutlich "Dritte gegen Vorgaben und Auflagen der Genehmigungen der Stadt Duisburg verstoßen". Sauerland sicherte in dem Papier zudem zu, eine weitere rechtliche Stellungnahme in etwa drei Wochen abgeben zu wollen. Ausschussmitglieder kritisierten, dass Fragen nicht beantwortet worden seien. Die Stadt habe nicht die Chance ergriffen, im Ausschuss Rede und Antwort zu stehen und damit für Transparenz zu sorgen.
Polizei als Sündenbock
Überlebende, Veranstalter und Stadt hatten auch der Polizei eine Mitverantwortung für die Tragödie gegeben. Jäger versicherte, die Vorwürfe lückenlos aufklären zu lassen. "Ich werde aber nicht zulassen, dass die Polizei als Sündenbock für die Fehler und Versäumnisse Anderer herhalten muss." Es sei schäbig, erst die Polizei um Hilfe zu rufen, weil die Veranstaltung aus dem Ruder läuft, und ihr dann auch noch den Schwarzen Peter zuzuschieben", wehrte Jäger die Vorwürfe ab.
Als Konsequenz aus der Katastrophe forderte der Innenminister "hohe, klare und verbindliche Qualitätsstandards für die Sicherheit" bei künftigen Großveranstaltungen. Unter anderem müssten eingesetzte Sicherheitskräfte des Veranstalters über eine ausreichende Qualifikation verfügen. Zudem müsse es eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung in ausreichender Höhe für den Veranstalter geben. Für die Loveparade in Duisburg soll Schaller lediglich eine Versicherung über 7,5 Millionen Euro abgeschlossen haben. Angesichts der vielen Opfer wird davon ausgegangen, dass das Geld bei Weitem nicht ausreichen wird.
Loveparade-Gründer fühlt sich mitschuldig
Während die Protagonisten der Duisburger Loveparade die Verantwortung von sich weisen, fühlt sich der Gründer der legendären Raverparty an der Katastrophe mitschuldig. "Ich fühle mich schuldig, dass ich die ganze Sache nicht frühzeitig gestoppt habe", sagte Dr. Motte alias Matthias Roeingh dem "Zeitmagazin". Beim Verkauf der Rechte an die Fitnesskette McFit sei er überstimmt worden und habe kein Veto eingelegt. Er sehe heute die Loveparade als sein Kind an - "ein Kind, das missbraucht wurde", betonte der 50-Jährige.
Der Techno-DJ erklärte: "Mein mit der Loveparade verbundener Traum war der Weltfrieden, und durch die Wiederholung der Veranstaltung sollten andere Menschen mit diesem Traum angesteckt werden." Die Loveparade sollte ein "Fest der Menschheit" sein. Alles, wofür Duisburg vor der Katastrophe gestanden habe, habe nichts mehr mit Techno zu tun gehabt.