Am 14. Mai ist vom Weltraumbahnhof in Kourou ein Satellitenduo mit einer Ariane-Rakete gestartet, von dem sich die Europäische Weltraumagentur Esa einiges erhofft: Das Weltraumteleskop "Herschel" und der Satellit "Planck" sollen das Bild von der Entstehung des Weltalls revolutionieren. Mit beiden Instrumenten will die Esa auf die Suche nach den Anfängen des Universums gehen. Während es "Herschels" Aufgabe ist, frühe Galaxien aufzuspüren, soll "Planck" das Echo des Urknalls so genau vermessen wie nie zuvor. Insgesamt 1,8 Milliarden Euro hat sich die Esa das Projekt kosten lassen. Aber wie bringt man solche Teleskope eigentlich sicher ins All und wie werden sie dort gelenkt, wollte stern.de-Leser Frei_Talk wissen.
Das European Space Operations Centre (Esoc) in Darmstadt ist das Kontrollzentrum der Esa. Von dort aus können über zehn Satelliten während ihrer gesamten Mission und weitere in der frühen Startphase, der sogenannten "Launch and Early Operations Phase" (LEOP) kontrolliert werden. Den Start überwachen um die 100 Mitarbeiter vom großen Hauptkontrollraum aus. "Von hier werden alle Manöver gesteuert, die den Satelliten in seine endgültige Umlaufbahn bringen", sagt Michael Schmidt, der Spacecraft Operations Manager von "Herschel". Der Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik hat gemeinsam mit seinem Team kurz nach dem Start die Steuerung des Weltraumsatelliten übernommen. Während des Starts ist das Kontrollzentrum in ständigem Kontakt mit dem gesamten Bodenstationsnetz der Esa. Das erstreckt sich über mehrere Kontinente. Riesige ferngesteuerte Parabolantennen stehen in Kourou in Französisch-Guayana, in Perth und New Norcia in Australien, in Maspalomas und Cebreros in Spanien. "So kann der Flug des Satelliten im Prinzip 21 Stunden am Tag verfolgt werden", sagt Schmidt. Ist er erst einmal auf seinem Weg, wird es weniger. Momentan beobachtet das Esoc-Team "Herschel" etwa drei Stunden am Tag, um Daten auszutauschen.
"Herschel" ist ein Selbstläufer
"Zum ersten Mal hat sich der Satellit 38 Minuten nach dem Start bei der Bodenstation in New Norcia in Australien gemeldet", sagt Schmidt. Laut Esa ein gelungener Auftakt. Denn die Ariane-Trägerrakete hat "Herschel" exakt auf seine Bahn gebracht. Die führt das Weltraumteleskop praktisch automatisch zu seinem Arbeitsplatz: dem Lagrangepunkt L2, der 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. In einem Abstand von 800.000 Kilometern umkreist "Herschel" diesen Punkt, der von der Sonne abgewandt und ein Stück außerhalb der Erdbahn liegt. So sind auf einen Schlag gleich drei Störquellen minimiert: der Mond, die Sonne und die Erde selbst.
"Nach dem Bahnmanöver am zweiten Tag, bei dem die Schubdüsen aktiviert werden, um die Geschwindigkeit oder Ausrichtung von Herschel zu ändern, waren keine größeren Korrekturen mehr nötig", sagt Schmidt. Das Weltraumteleskop musste also zum richtigen Zeitpunkt gestartet werden und in die richtige Richtung auf Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen, um auf den Weg zur Zielbahn zu gelangen. Wie ein Kind, das man einmal auf eine Rutsche gesetzt und angeschubst hat, hat "Herschel" sein Ziel erreicht.
Kritische Momente nach dem Start
Zurücklehnen konnten sich die Flugleiter im Esoc dennoch nicht. "Nach dem Start gab es noch ein paar kritische Punkte", sagt Schmidt. Funktionieren die Systeme? Haben sie die Vibrationen gut überstanden? Sind die Instrumente von den beheizten Komponenten des Servicemoduls abgeschirmt, das Systeme zur Datenverarbeitung, Kommunikation und Steuerung der Instrumente enthält? "Während der ersten Minuten des Fluges wurde das Gitter, das die Infrarotstrahlung in Wellenlängen zerlegt, von einem Riegel festgehalten", erinnert sich der Flugleiter. "Der musste im Anschluss durch einen Motor gelöst werden." Spannend war für die Esoc-Mitarbeiter auch, ob das Kühlsystem in der Schwerelosigkeit funktioniert. Einen Monat nach dem Start öffneten sie die Schutzabdeckung für das Teleskop. Die Pacs-Kamera, eines von drei Instrumenten, funkte ihr erstes Infrarotbild zur Erde: die Spiralgalaxie Messier 51, die auch als "Whirlpool Galaxie" bezeichnet wird - ein beliebtes kosmisches Fotomotiv.
Lesen Sie auf Seite zwei, wie der Kontakt zu Herschel funktioniert und warum Weltraumschrott am L2-Punkt kein Thema ist.
"Die Systeme arbeiten, wir sind zuversichtlich, dass Herschel die Erwartungen erfüllt, die in das Teleskop gesetzt werden", sagt Albrecht Poglitsch. Gemeinsam mit seinem Team vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München hat der Astrophysiker die Pacs-Kamera entwickelt. Im Oktober soll der wissenschaftliche Betrieb anlaufen. "Bis dahin haben wir noch eine Menge Hausaufgaben zu machen", meint der 53-Jährige. Noch sind nicht alle Instrumente von "Herschel" kalibriert. Daneben muss auch noch entschieden werden, wann "Herschel" auf welche Ziele ausgerichtet wird. Wissenschaftler aus aller Welt haben dafür Anträge eingereicht. Poglitsch und seinem Team sind bereits 1900 Stunden Beobachtungszeit sicher.
Der Kontakt funktioniert über Telemetrie
Michael Schmidt und das Esoc-Team werden dann dafür sorgen, dass sich das Weltraumteleskop auch so dreht, wie es die Wissenschaftler gern hätten. "Der Funkkontakt zu Herschel funktioniert dabei über Telemetrie", sagt Schmidt. Die Daten der Sensoren an Bord des Satelliten werden in elektrische Signale umgewandelt und als Funkwellen zu einer Bodenstation gesendet. Umgekehrt klappt das natürlich auch. Im freien Raum breiten sich die Funkwellen mit rund 300.000 Kilometer pro Sekunde, der Lichtgeschwindigkeit, aus. Bei einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern erreicht das Weltraumteleskop ein Signal von der Erde in ungefähr fünf Sekunden. "Um Herschel auf ein neues Ziel auszurichten, kann sich der Satellit mittels seiner Reaktionsräder mit sieben Grad pro Minute bewegen", sagt Schmidt. "Für eine 180-Grad-Drehung braucht man so ungefähr 25 Minuten." Ein- bis zweimal im Monat muss die Bahn von "Herschel" ohnehin korrigiert werden. "Da die Lagrangepunkte nicht stabil sind, würde der Satellit sonst aus der Bahn driften", erklärt Schmidt. Jede Lage- und Bahnregelung verbraucht Treibstoff. "Durch den guten Start haben wir viel gespart", sagt der Flugleiter. Auf die Lebenserwartung des Satelliten dürfte sich das allerdings kaum auswirken, die wird hauptsächlich durch das verfügbare Helium zur Instrumentenkühlung bestimmt. Ist das aus, erblindet "Herschel" - und entsorgt sich von selbst.
Denn mit einem müssen die Esoc-Mitarbeiter in den Lagrangepunkten nicht rechnen: mit Weltraumschrott. Was für den Erdorbit langsam zu einer ernstzunehmenden Gefahr wird, ist bei L2 kein Thema. Wird ein Satellit dort nicht nachgesteuert, driftet er automatisch in die Tiefen des Alls ab. Nach spätestens vier Jahren dürfte das bei "Herschel" der Fall sein. Dann ist die Bahn wieder frei. Zum Beispiel für das James Webb Space Telescope der Amerikaner, das laut Nasa frühestens 2014 starten soll.