Seit Mittwoch steht die Vielsprachigkeit des deutschen Außenministers außer Zweifel. Er spricht nicht nur englisch, was ja vor einem Dreivierteljahr ernsthaft bezweifelt wurde, sondern auch türkisch. "Türkiye 'nin yönü Avropa, dir", sagte er zur Erheiterung der internationalen Presse am Mittwoch in Istanbul.
Er vermied zunächst die Übersetzung ("Die Richtung der Türkei ist Europa"). Hinterher, bei einer entspannten Bootsfahrt zwischen Europa und Asien, präzisierte der Vizekanzler die Übersetzung doch noch, nachdem er gemerkt hatte, dass mehrere Versionen kursierten: "'Ist Europa', habe ich gesagt. Ist. Nicht: 'soll sein'." Darauf legte er Wert und gab damit gleich ein Signal an den Koalitionspartner, dass er auch in der Sommerpause nicht gewillt sein würde, am Koalitionsvertrag rütteln zu lassen, demzufolge der EU-Beitritt der Türkei "ergebnisoffen" verhandelt werden solle. Die Türkei ist ihm strategisch zu wichtig, um sie in dieser Sache zu verprellen.
Den gerne in Unionskreisen für das Ziel dieser Verhandlungen verwendeten Begriff der "privilegierten Partnerschaft" statt EU-Vollmitgliedschaft nahm der FDP-Chef auf der Reise nicht ein einziges Mal in den Mund. Die Türken reagieren darauf allergisch, weil er einen echten Beitritt quasi ausschließt.
Türkei hilft Deutschland beim Fußball
Dieses Privileg ist dem Land am Bosporus, das mehrere Millionen Auswanderer in die EU zählt, nicht genug. Westerwelles Kollege Ahmed Davutoglu betonte dann auch bei der gemeinsamen Pressekonferenz im prunkvollen Ciragi-Palast direkt an den Wassern des Bosporus, dass der türkische Beitrag zu den beachtenswerten deutschen Erfolgen etwa im Fußball - etwa in Gestalt von Mesut Özil - nicht zu unterschätzen sei.
Tatsächlich ist zumindest zwischen dem Koalitionspartner FDP und der Türkei die EU-Frage nicht wirklich strittig, wissen sie doch alle beide, dass ein eventueller Beitritt nicht kurz- oder mittelfristig - nicht "heute", wie es Westerwelle ausdrückte - erfolgen kann. Zum Beispiel wegen der ungelösten Zypernfrage. Nur lässt sich der Beitritt in beiden Ländern innenpolitisch instrumentalisieren.
Die wirklichen Probleme wurden bei den offiziellen Äußerungen Westerwelles und Davutoglu eher zwischen den Zeilen deutlich. Zum Beispiel der Atomstreit mit Iran, wo die Türkei eine extrem schwierige Rolle als direkter Nachbar Teherans hat. "Wir leiden am meisten und wir profitieren am meisten, je nachdem wie der Streit ausgeht", sagte Davutoglu und machte klar, dass auch die Türkei eine nukleare Bewaffnung Irans eindeutig ablehnt. Das beziehe sich im übrigen "auf die gesamte Region", fügte der türkische Außenminister hinzu. Das war ein Hinweis an Israel, das die internationale Staatengemeinschaft seit Jahren im unklaren über seine atomaren Fähigkeiten lässt.
Sprachlosigkeit seit dem Gaza-Vorfall
Überhaupt Israel. Große Sorgen macht sich die deutsche Seite über das zurzeit extrem kühle Verhältnis der Türkei zu Israel. Seit dessen Streitkräfte beim Stopp eines Blockadebrechers in internationalen Gewässern vor Gaza vor einigen Wochen in einer Kommandoaktion mehrere Türken töteten und darüber hinaus türkische Diplomaten in Israel blockierten, herrscht Sprachlosigkeit zwischen den beiden Staaten. Dabei wäre das 90-Millionen-Volk am Bosporus, das enge Wirtschaftsbeziehungen zu Israel pflegt, auch hier ein natürlicher Vermittlungspartner. Aber da gibt es noch eine ganze Reihe Sprachprobleme. Sie sind aber weniger linguistischer als vielmehr diplomatischer Natur.