Abschiebung einer 15-Jährigen "Affäre Leonarda" wird für Hollande zum Problem

Abgeschoben in eine fremde Heimat: Die 15-jährige Leonarda wurde von Beamten aus einem Schulbus geholt und in das Kosovo abgeschoben. Für Frankreichs Präsident Hollande wird der Fall zum Problem.

Höchstpersönlich wollte François Hollande einen Schlussstrich unter die "Affäre Leonarda" setzen - doch das ist Frankreichs Staatschef gründlich misslungen. Mit seinem Angebot, die 15-jährige in das Kosovo abgeschobene Schülerin Leonarda dürfe ohne ihre Familie nach Frankreich zurückkehren, hat der Sozialist einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. "Niederträchtigkeit" wirft ihm die französische Linkspartei vor, die konservative Opposition wiederum prangert eine zu laxe Haltung in der Ausländerpolitik an. Selbst die eigene Partei will die Entscheidung des Staatschefs nicht widerspruchslos hinnehmen.

Damit wird Hollande endgültig selbst in den Strudel der Affäre um das Roma-Mädchen Leonarda gerissen. Seit Tagen sorgt der Fall um die während eines Schulausflugs abgefangene und mitsamt ihrer Familie in das Kosovo abgeschobene Schülerin in Frankreich für Aufregung. Zunächst geriet Innenminister Manuel Valls unter Beschuss, der eine harte Linie in der Einwanderungspolitik fährt und die politische Verantwortung für die Abschiebung trägt. Tausende demonstrierende Gymnasiasten und die Linkspartei forderten seinen Rücktritt, auch bei den Sozialisten wurde der Umgang mit der Schülerin kritisiert.

Schnell wurden Rufe laut, Hollande müsse Stellung beziehen - was dem stets abwartenden Präsidenten gar nicht behagen konnte. "Er wird also eine Entscheidung treffen müssen, bei der halbe Sachen - die große Spezialität Hollandes - unmöglich sind", kommentierte die konservative Zeitung "Le Figaro" bissig. "Entweder kommt das junge Mädchen nach Frankreich zurück, oder es bleibt im Kosovo."

Abschiebung war rechtens

Doch tatsächlich gelang es Hollande wieder, halbe Sachen zu machen. Und mit dem Versuch des stets auf Kompromisse bedachten Staatschefs, es allen Recht zu machen, brachte er alle gegen sich auf. Leonarda dürfe nach Frankreich zurückkehren, verkündete Hollande in einer Ansprache im Elysée-Palast. Diese Möglichkeit gelte aber nur "für sie alleine", nicht für die restliche Familie. Leonarda lehnte das Angebot postwendend ab - und Hollande geriet zwischen alle Fronten.

Hollandes Angebot sei "grausam", schrie die Linkspartei auf. Und tatsächlich fragen sich viele Beobachter, wie weit es mit der vielbeschworenen "Menschlichkeit" der Ausländerpolitik der Sozialisten her ist, wenn eine 15-Jährige vor die Wahl zwischen einer Schulausbildung in Frankreich und dem Zusammenleben mit der eigenen Familie gestellt wird. Sozialistenchef Harlem Désir, Mitbegründer und langjähriger Chef einer Anti-Rassismus-Organisation, stellte klar, er wünsche, dass "alle Kinder der Familie Leonardas" ihre Schullaufbahn in Frankreich beenden können - Leonarda hat fünf Geschwister. Er werde darüber mit Hollande sprechen.

Der konservative Oppositionschef Jean-François Copé warf Hollande dagegen vor, "der staatlichen Autorität einen schrecklichen Schlag versetzt" zu haben, indem er Leonarda die Rückkehr erlaube. Denn die Abschiebung der Familie war rechtens, wie es ein behördlicher Untersuchungsbericht zu den Vorgängen hervorhebt - der Asylantrag der Familie war endgültig abgelehnt worden. Den Sozialisten warf Copé gar vor, mit einer laxen Ausländerpolitik der rechtsextremen Front National in die Karten zu spielen.

Der unbeliebte Präsident

Copé streut damit Salz in eine offene Wunde: Denn die Front National legt seit Wochen in Umfragen zu und könnte bei den Europawahlen im Mai 2014 sogar stärkste Kraft in Frankreich werden. Und nach einer großzügigen Einwanderungspolitik ist den von der Wirtschaftskrise gebeutelten Franzosen derzeit nicht zumute, egal, ob sie FN-Wähler sind oder nicht. In einer Umfrage sprachen sich zwei Drittel der Franzosen gegen eine Rückkehr von Leonardas Familie nach Frankreich aus, drei Viertel befürworteten die harte Haltung des kantigen Innenministers Valls.

Ein Zuspruch, von dem Hollande nur träumen kann. Laut einer neuen Umfrage sind nur 23 Prozent der Franzosen zufrieden mit ihrem Staatschef. Sein Auftritt in der "Affäre Leonarda" wird ihm kaum mehr Beliebtheit verschaffen.

AFP
Von Martin Nouaille, AFP