Nach dem Tod von drei Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan hat Außenminister Guido Westerwelle vor einem raschen Truppenabzug aus Afghanistan gewarnt. "Wenn wir jetzt Hals über Kopf abziehen würden, wäre das Land in ganz kurzer Zeit wieder Rückzugsgebiet des Weltterrorismus", sagte der FDP-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Dann würde die Anschlagsgefahr auch in Europa erheblich größer."
Zugleich bekräftigte der Außenminister, die Bundesregierung wolle im kommenden Jahr mit dem Truppenabzug beginnen und "möglichst 2013 die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übergeben". Vor wenigen Wochen sei "eine neue Afghanistan-Strategie mit einer klaren Abzugsperspektive beschlossen" worden, erklärte Westerwelle. Einen konkreten Abzugstermin nannte er aber nicht. "Dann wüssten die Terroristen, wie lange sie noch durchhalten müssten, bis wir weg sind."
Angesichts der Kritik an der Ausrüstung der Bundeswehr sagte Westerwelle dem Bericht zufolge, dass Berlin bei Bedarf nachbessern werde. "Die Bundesregierung tut alles, damit die Ausrüstung in Afghanistan bestmöglich ist." Sollten neue Fragen auftauchen, werde die Regierung und die Bundeswehr dem unverzüglich nachgehen.
"Ausbildung ist auf die Angriffe nicht ausgerichtet"
Auch der designierte Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, kündigte an, nach seiner Amtsübernahme energisch gegen Defizite bei Ausrüstung und Ausbildung vorzugehen. "Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hat für mich in jeder Hinsicht höchste Priorität", sagte der FDP-Politiker in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Am Hindukusch fehlten Transportflugzeuge, Hubschrauber oder Kampfpanzer sowie ausreichende Einsatztrainings. "Die bisherige Ausbildung der Bundeswehr ist auf die neue Qualität der Angriffe durch eine große Zahl von Taliban nicht ausgerichtet."
Der scheidende Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) warf der Bundeswehrspitze Unkenntnis vor. Er habe den Eindruck, "dass die Realitäten wie jetzt in Kundus zu wenig von der militärischen Führung wahrgenommen werden", klagte er in der "Saarbrücker Zeitung". Er bekräftigte seine bereits zuvor geäußerte Kritik, es sei "absolut nicht zu akzeptieren", wenn Ausbildung erst im Einsatz erfolge.
Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt räumte derweil beim Einsatz von Hubschraubern in Afghanistan Nachbesserungsbedarf ein. "Grundsätzlich sind wir in der Luftaufklärung gut aufgestellt, aber wir haben Ergänzungsbedarf bei Hubschraubern, sagte der CSU-Politiker den "Stuttgarter Nachrichten". Der mittlere Transporthelikopter NH90 und der Kampfhubschrauber Eurocopter Tiger sind bestellt, aber leider noch nicht einsatzfähig." Man sei für die Unterstützung der USA dankbar. Zugleich schränkte Schmidt ein: "Was helfen uns mehr Kampfhubschrauber, wenn sich die Taliban in Häusern mit Familien und Kindern verschanzen?"
Nach geheimen Berichten an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr fehlt es laut "Bild" in Afghanistan unter anderem an wirkungsvoller Munition für das Gewehr G36. Mit der Hartkernmunition würden Taliban-Kämpfer nicht sofort kampfuntauglich gemacht. Außerdem hätten die Kanonen der gepanzerten Fahrzeuge "Dingo" und "Fuchs" nicht die nötige Durchschlagskraft.
"Dieser Krieg muss beendet werden"
Die Linkspartei forderte unterdessen eine Regierungserklärung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Die Bundesregierung müsse Parlament und Öffentlichkeit ihre Einschätzung zur Lage in Afghanistan darlegen, verlangte ihr stellvertretender Vorsitzender Klaus Ernst. Die Strategie der "Befriedung durch Abschreckung" sei in Afghanistan "gescheitert". Wenn im Alltag des Einsatzes oft nur die Wahl bleibe, "ob Zivilisten oder Soldaten zu Opfern werden, dann kann man das nicht einfach so weiterlaufen lassen". Daher sei die Forderung nach einem Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan "nie richtiger als jetzt" gewesen. "Dieser Krieg muss beendet werden", fügte Ernst hinzu.
Anlass der jüngsten Debatte über das weitere Vorgehen in Afghanistan ist der Tod dreier Fallschirmjäger aus Seedorf, die am Karfreitag bei stundenlangen Gefechten mit Taliban-Kämpfern getötet worden waren. Acht weitere Bundeswehrsoldaten wurden dabei verletzt, vier von ihnen schwer.