Die Männer trugen immer Masken, erzählt Tursunay Ziawudun, obwohl es damals noch keine Pandemie gab. Irgendwann nach Mitternacht kamen sie in die Zellen, um sich die Frauen auszusuchen und sie in einen "schwarzen Raum" ohne Überwachungskameras zu bringen. In mehreren Nächten nahmen die Männer sie mit, sagt Ziawudun. "Vielleicht ist das für mich die unvergesslichste Narbe für immer."
So beginnt der Bericht des britischen Senders "BBC" über das Grauen in den chinesischen Umerziehungslagern in Xinjiang. Mehrere ehemalige Insassinnen und ein Aufseher schildern eindrücklich, wie Frauen dort "systematisch vergewaltigt, sexuell missbraucht und gefoltert" wurden.
Folter und Vergewaltigungen an der Tagesordnung
Eine Uigurin schildert, wie sie in einem Lager im Kreis Xinyuan gefoltert und wiederholt von mehreren chinesischen Männern vergewaltigt worden sei. In einem anderen Interview erzählt eine Kasachin aus Xinjiang, wie sie selbst uigurische Frauen entkleiden und ihnen Handschellen anlegen musste, bevor diese zu den Männern gebracht worden seien. Die Chinesen hätten bezahlt, um sich hübsche Uigurinnen aussuchen zu können. Auch Lehrerinnen, die gezwungen wurden, in den Lagern Chinesisch zu unterrichten, berichten von vergewaltigten Gefangenen.
Die Schicksale der Frauen lassen einen bestürzt und wütend zurück. Eines sind sie jedoch nicht – überraschend. Denn Berichte über die Horror-Zustände in den chinesischen Lagern sind keinesfalls neu.
Menschenrechtsorganisationen und Investigativjournalisten warnen schon seit langem vor den Grausamkeiten in den von China schöngeredeten "Fortbildungseinrichtungen". Den Gefangenen werden dort jegliche Freiheiten entzogen, sie werden Tag und Nacht überwacht, indoktriniert und die Frauen teils zwangssterilisiert. Nach Schätzungen sind bereits mehr als eine Million Uiguren in die Camps gezwungen worden – genaue Zahlen gibt die chinesische Regierung nicht preis.
In China leben rund zehn Millionen Uiguren, die meisten in Xinjiang im Nordwesten des Landes. Ethnisch ist das Volk mit den Türken verwandt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt – seitdem werden die Uiguren unterdrückt. Die Regierung wirft uigurischen Gruppen wiederum Separatismus und Terrorismus vor.
China bestreitet Vorwürfe – Olympia steht auf dem Spiel
Nur wenige Stunden nach seiner Veröffentlichung hat die chinesische Regierung den vernichtenden Bericht der BBC als unwahr zurückgewiesen. Außenamtssprecher Wang Wenbin erklärte am Mittwoch in Peking, die Vorwürfe der interviewten Frauen "basieren nicht auf Tatsachen". "Es sind nur Schauspieler, die falsche Nachrichten verbreiten", so Wenbin.
Die schnelle Reaktion zeigt jedoch, dass für die Volksrepublik einiges auf dem Spiel steht. Denn der Bericht kommt zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt: Genau in einem Jahr sollen in Peking die Olympischen Winterspiele stattfinden. Während die Organisatoren in der chinesischen Hauptstadt am Donnerstag den Startschuss zum 365-Tage-Countdown gaben, werden die Aufrufe zu einem Olympia-Boykott wegen Menschenrechtsverstößen immer lauter.
In einem offenen Brief forderte ein Bündnis von 180 internationalen Menschenrechtsgruppen und Vertretern von Minderheiten in China die Staatengemeinschaft auf, nicht an den Spielen teilzunehmen. "Alles andere wird als Unterstützung der autoritären Herrschaft und der unverhohlenen Missachtung von Bürger- und Menschenrechten durch die Kommunistische Partei Chinas angesehen", heißt es in dem Schreiben.
Internationale Boykott-Aufrufe der Winterspiele 2022
Auch international wird die Kritik an der Volksrepublik lauter. In Washington, D.C. haben sieben republikanische US-Senatoren dazu aufgerufen, Peking die Spiele zu entziehen. Sie verweisen auf die Verfolgung von Uiguren und Tibetern sowie Chinas Drohungen gegenüber Taiwan. Senator Rick Scott brachte dazu eine Resolution im US-Senat ein.
Das chinesische Außenministerium wies die Aufrufe umgehend zurück. "Es ist höchst unverantwortlich von einigen Parteien zu versuchen, sich einzumischen und die Vorbereitungen und die Austragung der Winterspiele in Peking zu stören und zu sabotieren, um ihren eigenen politischen Zielen zu dienen", sagte Außenamtssprecher Wenbin.
Da sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) in der Angelegenheit vorerst bedeckt hält, wird es von "Human Rights Watch" scharf kritisiert. "Das IOC weiß, dass Chinas Behörden willkürlich Uiguren und andere Muslime festnehmen, die staatliche Überwachung ausweiten und zahlreiche friedliche Kritiker zum Schweigen bringen", sagte China-Direktorin Sophie Richardson. Indem das IOC nicht öffentlich gegen die ernsten Menschenrechtsverletzungen in China angehe, verspotte es seine eigenen Verpflichtungen und den Anspruch, dass Olympia eine "Kraft für das Gute" sei.
Schon die Vergabe der Sommerspiele 2008 an Peking habe keinerlei Fortschritte bei den Menschenrechten gebracht, sagte Richardson am Donnerstag. Vielmehr habe seither die Repression in China noch zugenommen.
Weitere Quellen: "BBC", "Human Rights Watch", "International Consortium of Investigative Journalists", mit AFP