Schwangerschaftsabbruch Von 12 auf 18 Wochen? Dänemark steht vor Lockerung der Abtreibungs-Regeln

Eine Frau wird bei einer Gynäkologin behandelt
In Dänemark diskutiert die Politik gerade über eine Anhebung der Wochenfristen bei Abtreibungen. Eine Mehrheit des Ethikrates hatte sich für eine Frist von 18 Wochen ausgesprochen
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In Dänemark hat sich der Ethikrat für eine Lockerung der aktuellen Abtreibungsgesetze ausgesprochen. Sie empfehlen eine Anhebung der Grenze – von 12 Wochen auf 18. Die Regierung zeigt sich offen für die Änderung.

50 Jahre ist es her, dass Dänemark seine Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch gelockert hat und es Frauen ermöglichte, auf eigenen Wunsch abzutreiben. Dänemark war damals eines der ersten westeuropäischen Länder, das diese Regeln einführte – vor allem ein Verdienst der Frauenbewegung. Nun, 50 Jahre später, steht den Frauen in dem skandinavischen Land eine weitere Liberalisierung des Abtreibungsrechts bevor.  

Anlässlich dieses Jubiläums hat sich der dänische Ethikrat mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch erneut auseinandergesetzt. Zuletzt hatte dieser sich im Jahr 2004 mit dem Thema befasst und fand es "nachdenklich stimmend", dass sich seit der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs an den Regeln kaum etwas geändert hat.

Derzeit können Frauen in Dänemark ab dem Alter von 18 Jahren bis zur zwölften Schwangerschaftswoche selbst entscheiden, ob sie abtreiben wollen oder nicht. Eine Abtreibung nach dieser Frist ist unter bestimmten Umständen möglich. Diese Regelung gilt seit ihrer Einführung vor 50 Jahren. Davor mussten Frauen einen Schwangerschaftsabbruch beantragen.  

Mehrheit des Ethikrats für 18-Wochen-Frist

Am Dienstag dann gab der Ethikrat seine Empfehlung bekannt: 9 von 17 Mitgliedern sprachen sich für eine Anhebung der Frist von 12 auf 18 Wochen aus. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass dadurch die Selbstbestimmung der Frau gestärkt werde, "weil sie die Ergebnisse der Ersttrimester-Untersuchung, die zwischen der 11. und 14. Woche durchgeführt wird, verarbeiten und umsetzen kann". Außerdem bleibe mehr Zeit für eventuelle Gentests, die zu einer sichereren Entscheidungsgrundlage beitragen könnten.  

Zudem lasse die 18-Wochen-Grenze noch einen erheblichen Spielraum bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit um die 22. Woche und stelle kein gesundheitliches Risiko für die Mutter dar, so die neun Ratsmitglieder. Internationale Vergleiche zeigten, dass eine spätere Frist nicht zu mehr Abtreibungen führe. Außerdem würden mehr als 90 Prozent der Frauen, die einen Abbruch nach der zwölften Woche wünschten, diesen auch bekommen.

Vier Mitglieder des Ethikrates sprachen sich für eine Anhebung der Frist bis zur 15. Schwangerschaftswoche aus, vier weitere für die Beibehaltung der bisherigen Regelung.

Alle 17 Mitglieder des Ethikrates sind jedoch dafür, dass Schwangere bereits ab 15 Jahren selbst entscheiden können, ob sie abtreiben wollen oder nicht.  

Regierungsparteien in Dänemark offen für Anhebung der Frist bei Abtreibung

Auch die dänische Regierung will die Altersgrenze senken. Bereits im Mai hatte die Koalition aus Sozialdemokraten, der liberal-konservativen Venstre und der Mitte-Partei Moderaterne dies beschlossen. Die drei Parteien haben eine Mehrheit im Parlament, so dass eine Änderung dieser Regelung so gut wie sicher ist.  

In der Frage der Anhebung der Wochenfrist für den Schwangerschaftsabbruch ist sich die Regierung noch nicht einig, aber die Zeichen stehen auf Lockerung.  

Die Moderaten zeigten sich erfreut über die Empfehlungen des Ethikrates und seien für eine Ausweitung der Abtreibungsgrenze auf 18 Wochen, sagte die Gleichstellungssprecherin der Partei, Rosa Eriksen, dem Rundfunk Danmarks Radio (DR).

Die Koalitionspartner sind zwar offen für eine Anhebung der Grenze, hielten sich aber noch bedeckt. "Wir brauchen eine politische Diskussion und hoffentlich eine sehr breite Unterstützung für eine Anpassung der Obergrenze", sagte Flemming Møller Mortensen, gesundheitspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten, zu DR. "Wir wollen die Selbstbestimmung der schwangeren Frau im Auge behalten, aber auch die Rücksicht auf den Fötus. Aber die Selbstbestimmung der Frau ist für die Sozialdemokraten ganz entscheidend".

Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen schrieb in einem Beitrag in den sozialen Medien, dass ihre Regierung bereits bereit sei, die Wochengrenze zu verschieben. "Ich glaube, dass wir die Rechte von Mädchen und Frauen, die ungewollt schwanger werden, ausweiten müssen. Es ist an der Zeit, unsere Gesellschaft voranzubringen." Eine konkrete Wochenzahl nannte sie nicht.

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Beim Koalitionspartner Venstre hat man sich noch nicht auf eine konkrete Zahl geeinigt. Das liege daran, dass es sich um eine "sehr dilemmatische Frage" handele, sagte Linea Søgaard-Lidell, Sprecherin der Partei für Gleichstellung, zu DR. "Es ist eine schwierige Debatte. Es gibt unglaublich viele Dilemmas. Wir müssen diese Frage in der Fraktion diskutieren, bevor wir eine Position beziehen können".  

Bürgerlich-rechte Parteien wollen aktuelle Regel beibehalten

Gesundheitsministerin Sophie Løhde (ebenfalls Venstre) hat die Parteien im dänischen Folketing zu Gesprächen und Verhandlungen über die Abtreibungsgrenze aufgerufen. Die Regierung sei bereit, auf der Grundlage der neuen Erklärung des Ethikrates über die gesamte Abtreibungsfrage zu diskutieren. Die Regierung habe sich aber nicht von vornherein auf eine Wochenfrist festgelegt.

Auch in der Opposition sind die Meinungen geteilt. Vier Parteien – die Neuen Bürgerlichen, die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die konservativen Dänen-Demokraten und die Konservative Volkspartei – sprechen sich gegen eine Anhebung der Wochenfrist aus.  

"Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass die Verschiebung der Grenze ein falsches Signal ist, da ein Schwangerschaftsabbruch so früh wie möglich in der Schwangerschaft erfolgen sollte", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Dänemarksdemokraten, Jens Henrik Thulesen Dahl.

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Mette Thiesen, gesundheitspolitische Sprecherin der Dänischen Volkspartei, sagte, drei Monate seien "genug Zeit", um herauszufinden, ob man schwanger sei und sich für oder gegen das Kind zu entscheiden. Es sei aber "verwerflich, einen Freibrief für eine Abtreibung auszustellen, wenn das Kind im Prinzip lebensfähig ist". Ähnliche Kritik kam von der konservativen Volkspartei. "In der 18. Woche kann das Kind bereits Stimmen und Melodien erkennen. Wir denken, das ist zu spät", sagte die Fraktionsvorsitzende der Partei, Mette Abildgaard, der Zeitung "Politiken".  

Das ist die rechtliche Situation bei Abtreibungen in Deutschland

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland laut § 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich strafbar. Es gelten aber folgende Ausnahmen:

  • Die betroffene Frau muss sich in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen und sich einen Beratungsschein ausstellen lassen
  • Die Schwangere muss den Abbruch verlangen
  • Eine Ärztin oder ein Arzt, welche oder welcher nicht an der Beratung teilgenommen hat, muss den Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis vornehmen
  • Zwischen dem Ausstellen des Beratungsscheins und dem Eingriff müssen mindestens drei Tage liegen
  • Straflos bleibt der Schwangerschaftsabbruch auch, wenn eine medizinische Indikation vorliegt, wenn für die Schwangere Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht
  • Wenn die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt beruht, zum Beispiel Vergewaltigung

Quellen: Bundesfamilienministerium, familienplanung.de

Letztendlich entscheidet Parlament

Die grünen Partei Alternative, die sozialliberale Radikale Venstre und die Sozialistische Volkspartei sind für eine Anhebung der Wochenfrist. Die linksalternative Einheitsliste will sogar 22 Wochen.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Voxmeter im Auftrag der Nachrichtenagentur Ritzau vom Januar befürworten 36,6 Prozent der dänischen Bevölkerung eine Abtreibungsgrenze bei der 18.

Letztendlich entscheidet jedoch das Parlament über die Anhebung der Frist für Schwangerschaftsabbrüche und die Herabsetzung des Alters für Schwangerschaftsabbrüche. Der Ethikrat hat nur eine beratende Funktion und kann keine Gesetze verabschieden. Gesundheitsministerin Løhde will im Herbst die anderen Parteien zu Verhandlungen einladen, um eine Einigung mit breiter Mehrheit zu erreichen.