Die Opposition schießt zurück Golfstaaten wollen syrische Deserteure bewaffnen

Mehrere Golfstaaten wollen die syrischen Deserteure bewaffnen, die der Armee des Assad-Regimes weiterhin klar unterlegen sind. Doch es gibt auch die Sorge, dass die reichen Golfaraber sich damit Einfluss sichern wollen.

"Friedlich, friedlich!", lautete das Motto der syrischen Opposition in den ersten Protestmonaten. Doch nun suchen die Regimegegner ihr Heil in der Bewaffnung, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen. Mehrere Golfstaaten haben angekündigt, demnächst Waffen an die Deserteure der sogenannten Freien Syrischen Armee liefern zu wollen. Dass die Deserteure den Truppen von Präsident Baschar al Assad bislang hoffnungslos unterlegen sind, zeigt sich jetzt in der Stadt Homs. Am Donnerstag meldeten Aktivisten, die "Brigade Baba Amro" habe das gleichnamige Viertel in Homs verlassen, weil ihnen nach Gefechten mit angreifenden Soldaten die Munition ausgegangen sei.

Die arabischen Unterstützer vom Golf betonen, sie sähen neben Waffenlieferungen an die Aufständischen keinen anderen Weg mehr, um das Töten durch die Truppen des Regimes zu beenden. Auf welchem Weg sie Waffen nach Syrien bringen wollen, sagen sie nicht. Offen bleibt auch, ob sie planen, die Revolutionäre mit modernen Waffen westlicher Herkunft aus ihren eigenen Magazinen auszurüsten oder ob sie das Kriegsgerät anderweitig beschaffen wollen.

Aus dem Libanon, wo die Preise für Schusswaffen wegen der Krise im Nachbarland in den vergangenen Monaten stark angezogen haben, werden ohnehin schon seit geraumer Zeit Waffen nach Syrien geschmuggelt. Wie viele Waffen die Deserteure über die türkische und die irakische Grenze beziehen, ist nicht bekannt.

Opposition hat Militärrat gegründet

Auch viele andere Zahlen und Fakten sind unter Experten umstritten. Wie viele Deserteure gibt es mittlerweile? Wie viele von ihnen kämpfen gegen die Regierungstruppen? Auf wessen Kommando hören die einzelnen Trupps? Von mehr als 40.000 Mann ist die Rede. Inzwischen sollen sich auch Zivilisten als Freiwillige gemeldet haben. Doch sie können sich nur schwer Waffen beschaffen. Nach Aussage eines Oppositionellen gelingt es den Assad-Gegnern gelegentlich, korrupten Soldaten der regulären Armee Waffen abzukaufen.

Der Übergangsrat der Opposition hat jetzt einen Militärrat gegründet, um mögliche Waffenlieferungen von Staaten, die mit der Revolution in Syrien sympathisieren, zu koordinieren. Damit will er auch verhindern, dass aus den Kämpfern gegen das Regime von Präsident Baschar al Assad eines Tages Milizen werden, die keine politische Autorität anerkennen.

Der Vorsitzende des Syrischen Nationalrates (SNC), Burhan Ghaliun, verkündete die Gründung des Militärrates. Ghaliun betont, die Opposition habe sich die Entscheidung, neben den Demonstrationen auch die militärische Option zu unterstützen, nicht leichtgemacht. "Der Nationalrat will ein Ende des Tötens, nur darauf kommt es an, mit oder ohne Waffenlieferungen", erklärt Fawas Sakry, SNC-Mitglied in Istanbul.

Idee der Waffenlieferung aus Verzweiflung geboren

Die Idee, automatische Waffen und eventuell auch Panzerfäuste in die von Assads Truppen belagerten Hochburgen der Regimegegner zu liefern, ist aus der Verzweiflung der Aktivisten im Exil geboren. Viele von ihnen wollen unbedingt etwas tun, weil sie aus der Heimat täglich neue Horrorberichte und Bilder getöteter Zivilisten erhalten. Außerdem möchten die Herrscher der Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und Kuwait, die vom Arabischen Frühling bislang weitgehend verschont wurden, zeigen, dass sie ihre sunnitischen Glaubensbrüder in Syrien nicht im Stich lassen.

Viele Oppositionelle aus dem liberalen Lager, dem auch Ghaliun angehört, haben jedoch große Bauchschmerzen. Ihnen missfällt der Gedanke, dass die Golfstaaten, die in Ägypten und Tunesien islamistische Parteien unterstützen, jetzt auch in ihrer Heimat Pflöcke für die Zeit nach einem möglichen Sturz des Regimes einschlagen könnten.

Ein in Paris ansässiger Oppositioneller kommentiert die jüngste Entwicklung voller Bitterkeit: "Es erscheint mir in der aktuellen Situation unvermeidlich, dass alle Welt versucht, hier Einfluss zu nehmen. Die Verantwortung dafür trägt jedoch ganz alleine das Regime, das die Lage so gefährlich hat werden lassen, dass äußere Mächte daraus Kapital schlagen können."

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Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa