Es hätte nicht den Zuspruch des Alt-Präsidenten gebraucht, aber schaden wird er natürlich nicht. Nun unterstützt auch Barack Obama seinen Ex-Vize Joe Biden bei dessen Versuch, nächster US-Präsident zu werden. Per Video sagte Obama, Biden habe "alle Qualitäten, die wir gerade jetzt bei einem Präsidenten benötigen". Kurz vorher hatte sich schon Ex-Kontrahent Bernie Sanders für Biden ausgesprochen. Es läuft also eigentlich bestens bei den oppositionellen US-Demokraten: mit polierten Rüstungen stehen sie da, die Reihen geschlossenen und könnten also sofort loswahlkämpfen, nur leider, so scheint es, hat der Gegner die Arena verlassen.
Donald Trump muss an vielen Fronten kämpfen
Donald Trump, 73 Jahre alt, kämpft gerade an einer anderen Front. Genaugenommen sind es mehrere Fronten: Gegen das Coronavirus, dem er vor ein paar Wochen noch unterstellt hatte, es sei eine Erfindung der Demokraten. Dann kämpft er, wie so oft, gegen schlechte Presse, die kein gutes Haar an Trumps Krisenpolitik lässt. Dann ist da noch sein Kampf mit den Medizinern und Gouverneuren, deren Ansichten er wohl hört, aber in den Wind schlägt. Zu guter Letzt ringt er damit, den Amerikanern zu verklickern, dass das Ausmaß der Maläse an Organisationen wie der WHO liege, er dagegen die Millionen von Schecks unterschreibt, die demnächst an die Bürger gehen. Für einen Gegner wie Joe Biden bleibt da keine Zeit mehr.
Den Ex-Vizepräsidenten verhöhnt er üblicherweise als "sleepy", also schlafmützig, doch das hat auch schon stark abgenommen. Etwas müde war nach Obamas Videobotschaft aus Trumps Wahlkampfteam zu hören, dass Biden ein schlechter Kandidat sei, der sich und seine Partei blamieren werde. Was man halt so sagen muss. Dabei ist Joe Biden, immerhin noch einmal vier Jahre älter als der Amtsinhaber, der wohl einzige Kandidat, dem in so gut wie allen Umfragen bescheinigt wird, Trump im November schlagen zu können. Doch was macht Biden? Zieht sich in sein Häuschen im beschaulichen Ostküstenstaat Delaware zurück und wendet sich übers Netz an seine Anhänger.
Eigentlich hätte Biden jetzt vier Monate Zeit
Für Mitte August ist eigentlich die große Krönungsmesse für Joe Biden vorgesehen. Bleibt es trotz Coronakrise bei diesem Convention genannten Parteitag, dann hätte Biden noch vier Monate, um sich gegen den Amtsinhaber in Stellung zu bringen und letzte Zweifler innerhalb seiner eigenen Partei zu überzeugen. Anders als 2016 tobt bei den Demokraten kein Machtkampf bis zum Schluss, dennoch ist der Kandidat den einen zu wenig links oder zu mittig, den anderen zu alt, zu weiß, zu männlich und manchen alles zusammen. Bernie Sanders zum Beispiel, mit seinen jungen Unterstützern aus der weißen Mittelklasse, hatte schon länger angekündigt, im Fall seiner Niederlage Biden zu unterstützen. Doch viele seiner Fans sehen in Biden einen unwählbaren Vertreter des Establishments.
Angeblich war es Obama, der sich hinter den Kulissen abmühte, Sanders zur Aufgabe zu bewegen, damit die Demokratische Partei nicht wie schon vor vier Jahren wertvolle Zeit verliert. Ironischerweise ist der Faktor Zeit nun einer, von dem der demokratische Kandidat bis auf weiteres genug haben wird. Großveranstaltungen, mit denen er die Massen auch abseits der Stammwähler hinter sich scharen kann, sind abgesagt. Dafür gibt Trump in der Corona-Krise jeden Tag eine vielbeachtete Pressekonferenz. Auch wenn sich der US-Präsident darin oft um Kopf und Kragen redet, diese Art der Aufmerksamkeit wiegt einiges schwerer als die unübersehbare Überforderung des Staatschefs.
Donald Trump ist für die Krise gemacht
Denn Donald Trump ist für die Krise gemacht, für ihn ist Politik wie Krieg, er stiftet ständig Chaos, ist dabei aber der einzige, dem sämtliche Aufmerksamkeit zu Teil wird. In Wahlkampfzeiten ist das ein großes Plus, vor allem dann, wenn man einen Rivalen wie Joe Biden hat. Der Mann mit dem breiten Grinsen sieht sich als Brückenbauer, als Versöhner, als Onkel Joe, der alles wieder gut macht. Nur zu gerne hätten viele Amerikaner einen wie ihn wieder in Washington. Doch zurzeit ist Biden dazu verdonnert, zurückhaltend sein zu müssen. Bei den Buchmachern übrigens, die die Nase oft am Volk haben, holt der Demokrat auf - liegt aber mit einer durchschnittlichen Quote von 2,1 weiter klar hinter dem Amtsinhaber.
Quellen: RealClearPolitics, AFP, DPA, PaddyPower, Donald Trump auf Twitter