Der blutige Konflikt in Syrien wird immer mehr zum Pulverfass für die gesamte Region. Eine islamistische Aufständischen-Gruppe entführte am Samstag in Damaskus 48 iranische Pilger, denen sie unterstellt, Agenten der Revolutionsgarden zu sein. Ein Video, das der saudische Nachrichtensender Al-Arabija am Sonntag ausstrahlte, zeigt einen Teil der Entführten in der Gewalt der sogenannten Al-Baraa-Märtyrerbrigade. Der Iran steht auf Seiten des Regimes von Präsident Baschar al-Assad, der zur schiitisch-alawitischen Glaubensrichtung gehört. Die syrischen Rebellen - überwiegend sunnitischen Glaubens - werden vom iranischen Erzrivalen Saudi-Arabien mit Geld und Waffen gestützt.
In dem Video zeigt der Kommandeur der Einheit, Nasser al-Schumeir, ausweisartige Dokumente in die Kamera, die die Zugehörigkeit der Entführten zu den Revolutionsgarden beweisen sollen. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. "Wir observieren die Iraner seit Monaten, seitdem wir von ihnen Kenntnis erlangt haben", sagte Al-Schumeir.
Der Sender Al-Arabija, der das Video zeigte, gehört einem saudischen Geschäftsmann mit enger Bindung an das saudische Herrscherhaus. Saudi-Arabien unterstützt in Syrien vor allem Rebellengruppen mit radikal-islamischer Agenda. Mit dem Iran rivalisiert das Königreich um die Vorherrschaft am Golf.
Brigade will Assad mit Selbstmordattentaten stürzen
Teheran hatte bereits am Samstag bestätigt, dass 48 Pilger auf dem Weg zum internationalen Flughafen von Damaskus entführt worden waren. Der Schrein der Sajjida Zeinab, einer Enkelin des Propheten Mohammed, ist ein beliebter Wallfahrtsort für Pilger aus dem schiitischen Gottesstaat. Nach Informationen der iranischen Botschaft in Damaskus wurden die Wallfahrer von einer "bewaffneten terroristischen Gruppe" verschleppt. Das Schicksal der Entführten sei ungewiss. Syrische und iranische Stellen bemühten sich um Aufklärung, hieß es.
Die Al-Baraa-Brigade, benannt nach Al-Baraa ibn Malik (gest. 640), einem Gefährten des Propheten Mohammed, stammt aus Homs. Sie hatte sich im Februar dieses Jahres gegründet und damals angekündigt, Einrichtungen des Assad-Regimes mit Selbstmordanschlägen angreifen zu wollen.
Aleppo bleibt heftig umkämpft
In der nordsyrischen Metropole Aleppo bekämpften sich Regierungstruppen und Aufständische unterdessen weiter heftig. Das Regime ließ das Viertel Salaheddin, das als Einfallstor in das Zentrum gilt, massiv mit Artillerie beschießen. In dem Stadtteil habe es auch Gefechte gegeben, teilten die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London mit. Die Regierungstruppen versuchen seit zwei Wochen vergeblich, die Rebellen aus der zweitgrößten Stadt des Landes zu verdrängen. Diese konnten das von ihnen kontrollierte Gebiet sogar ausweiten.
Zur Entlastung Aleppos greifen die Rebellen fast jede Nacht den nahegelegenen Militärflughafen Mannagh an, wo die Armee Hubschrauber stationniert hat. Die Kampfflugzeuge der Luftwaffe kommen unterdessen aus Idlib und anderen Regionen und nichts scheint sie aufhalten zu können. Der regierungsfeindliche Syrische Nationalrat beschuldigte die Armee, durch ihren Beschuss viele historische Bauten zu gefährden. Die Altstadt von Aleppo, eine der ältesten Städte der Welt, gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Nach fast 17 Monaten Krieg gegen das eigene Volk gerät das Assad-Regime inzwischen auch wirtschaftlich in Bedrängnis. Wie russische Medien am Samstag berichteten, wurde eine Delegation aus Damaskus in Moskau vorstellig, um den Verbündeten Russland um finanzielle Hilfe zu bitten. Den Berichten zufolge gehen Syrien vor allem raffinierte Erdölprodukte wie Diesel aus. Die Delegation um Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe "eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken", hieß es. Damaskus machte die westlichen Sanktionen für die wirtschaftliche Notlage verantwortlich.