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Türkei Aus politischen Gründen: Diese Deutsch-Türken sitzen immer noch in türkischen Gefängnissen

seit einem Jahr sitzt der 73-jährige Deutsch-Türke Enver Altayli in Ankara in U-Haft
Seit einem Jahr sitzt der 73-jährige Deutsch-Türke Enver Altayli in Ankara in U-Haft
© Familie / DPA
Der türkische Präsident Erdogan ist zu Besuch in Deutschland und wird mit allen protokollarischen Ehren empfangen. Gleichzeitig hält die türkische Justiz weiter Menschen als Geiseln in Haft, darunter sind fünf Deutsche. 

Auch nach der Freilassung prominenter deutscher Häftlinge wie Peter Steudtner, Deniz Yücel und Mesale Tolu sind noch mehrere Deutsche in der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert. Wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ab Donnerstag zu Besuch nach Berlin kommt, werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut auf ihre Freilassung drängen. Die Haftfälle bleiben ein wichtiges Hindernis für eine Normalisierung des deutsch-türkischen Verhältnisses.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sitzen derzeit noch immer fünf deutsche oder deutsch-türkische Staatsbürger aus politischen Gründen in türkischen Gefängnissen. Aus deutscher Sicht rechtfertigen die vagen Terrorvorwürfe weder eine monatelange Untersuchungshaft noch die jahrelangen Haftstrafen, die in mehreren Fällen verhängt wurden.

Auswärtiges Amt nennt keine Namen

Das Auswärtige Amt nennt die Namen der Inhaftierten nicht; über einige Fälle wurde in türkischen und deutschen Medien berichtet, wobei offen blieb, ob diese Fälle mit den vom Außenamt registrierten Fällen identisch sind.

Bereits seit einem Jahr sitzt der 73-jährige Deutsch-Türke Enver Altayli wegen Terrorvorwürfen im Hochsicherheitsgefängnis Sincan in Ankara ein - immer noch ohne Anklageschrift, wie die Tochter betonte. Er sei weiter in Einzelhaft. Es gehe ihm schlecht. Atayli war im vergangenen Jahr in Antalya festgenommen worden, wo die Familie eine Ferienanlage betreibt. Nach dem Protokoll der Gerichtsverhandlung zur Untersuchungshaft wird er verdächtig, für die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen Straftaten begangen zu haben. Altayli weist alle Vorwürfe zurück. Die Justiz beschuldigt auch ihn, Verbindungen zur verbotenen Gülen-Bewegung zu unterhalten.

Zuletzt wurde Mitte September der Hamburger Taxifahrer Ilhami A. im osttürkischen Elazig zu drei Jahren und eineinhalb Monaten Haft verurteilt. Dem 46-Jährigen wurde vorgeworfen, über die sozialen Medien Propaganda für eine "Terrororganisation" verbreitet zu haben. Die Strafe wurde für die Dauer des Berufungsverfahrens ausgesetzt, doch darf A. die Türkei nicht verlassen.

Im Juli 2017 wurde der Deutsche Nejat U. wegen Mitgliedschaft in der verbotenen Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu neun Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Ankara sieht in Gülen den Drahtzieher des Putschversuchs von Juli 2016. Der 55-jährige U. hatte lange in Aachen gelebt, bevor er 2000 in die Türkei zurückkehrte.

 Der 32-jährige Kölner Adil Demirci wurde Mitte April in Istanbul unter dem Vorwurf der Propaganda für die verbotene linksextreme MLKP festgenommen. Der Sozialarbeiter schrieb von Köln aus gelegentlich für die linke Nachrichtenagentur ETHA, für die auch die Journalistin Mesale Tolu tätig war, die vergangenes Jahr vier Monate in U-Haft saß.

Auch Ausreise-Verbote sind ein Druckmittel

 Vor den Präsidentschaftswahlen am 24. Juni wurde die 47-jährige Deutsch-Kurdin Saide Inac festgenommen. Die Sängerin, die unter dem Künstlernamen Hozan Cane auftritt, hatte in der nordwestlichen Stadt Edirne an einer Wahlkampftour der prokurdischen Oppositionspartei HDP teilgenommen.

Ein weiteres Mittel der türkischen Behörden, um unliebsame Kritiker unter Druck zu setzten, sind Ausreise-Verbote. Die Behörden wenden es gegen die Ehefrau des Journalisten Can Dündar an, der vor seiner drohenden Verhaftung nach Berlin floh. Dündar war Chefredakteur der Zeitung "Cumhuriyet". Er veröffentlichte Aufnahmen die bewiesen, dass die Türkei Waffen an islamistische Rebellen in Syrien liefert  Dilek Dündar, ebenfalls Journalistin, wird die Ausreise verweigert, wie Spiegel online jüngst berichtete. Seit zwei Jahren kann sie das Land nicht verlassen, obwohl sie sich nichts hat zu Schulden kommen lassen.

tis / Ulrich von Schwerin AFP

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