Am Tag nach seiner Festnahme am Moskauer Flughafen Schweremetjewo hat das Verfahren gegen Alexej Nawalny begonnen. Um 12.30 Uhr Ortszeit begann die erste Gerichtsanhörung direkt auf der Polizeiwache, auf der der Oppositionspolitiker festgehalten wird. Seine Anwältin wurde nur wenige Minuten zuvor darüber informiert.
In einem Video bezeichnete Nawalny das Vorgehen als "das höchste Maß an Gesetzlosigkeit". "Ich verstehe nicht, was hier passiert. Ich wurde vor einer Minute aus der Zelle geholt, damit ich meine Anwälte treffen kann", so Nawalny. Nun finde eine sogenannte "offene Gerichtssitzung" statt, in der darüber entschieden werde, "ob ich auf ein Ersuchen des Polizeichefs in Haft genommen werde."
Die Angst im Bunker
"Warum das Treffen bei der Polizei stattfindet, verstehe ich nicht", so Nawalny weiter. "Warum wurde niemand benachrichtigt, warum wurde niemand vorgeladen? Ich habe oft gesehen, wie der Rechtsstaat ins Lächerliche gezogen wird, aber dieser Opi in seinem Bunker fürchtet sich inzwischen so sehr (...), dass nun einfach der Strafprozesskodex zerrissen und auf die Müllhalde geworfen wird", sagte Nawalny in dem improvisierten Gerichtszimmer. Mit "Opi in seinem Bunker" meint Nawalny den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Es ist unmöglich, was hier passiert."

Nawalny hatte am Sonntag nach fünf Monaten in Deutschland, wo er sich von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte, verlassen. Nach seiner Ankunft in Moskau wurde er festgenommen. Danach hatte von dem 44-Jährigen zunächst jede Spur gefehlt. Am Montag fand er sich plötzlich vor einem Gericht in einem Polizeigebäude wieder. Die Behörden wollen eine alte Bewährungsstrafe nachträglich in echte Haft umwandeln lassen, weil Nawalny angeblich gegen Auflagen verstoßen hat.
Alexej Nawalny zu Unrecht verurteilt
2014 ist Nawalny des Betrugs schuldig gesprochen und zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Später wurde die Strafe um ein Jahr verlängert – bis zum 30. Dezember 2020.
Einen Tag vor Ablauf der Bewährungszeit schrieben die Behörden Nawalny jedoch zu Fahndung aus. Der Oppositionspolitiker entziehe sich absichtlich der Kontrolle und man sei nicht über seinen Aufenthaltsort unterrichtet, argumentierte man. Es wurde angeordnet, dass Nawalny bis 9 Uhr am folgenden Tag bei der Aufsichtsbehörde zur Registrierung erscheine – obwohl man darüber informiert war, dass der Politiker sich zu diesem Zeitpunkt zur Rehabilitation in Deutschland aufhielt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die die Verurteilung Nawalnys bereits 2017 für rechtswidrig erklärt und ihm einen Schadensersatz in Höhe von 55.000 Euro zugesprochen.