Der EU-Gipfel zum Haushalt der Staatengemeinschaft, der bis Freitag in Brüssel stattfindet, steht offenbar vor einem Scheitern. EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker rechnete am Mittwoch bereits nicht mehr mit einer Einigung. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die finanzielle Vorausschau auf diesem Gipfel nicht durchkriegen werden", sagte Juncker vor einem Ausschuss des Europäischen Parlaments in Brüssel.
Deutschland und weitere Nettozahler wollen ihre Zahlungen für die kommende Haushaltspoeriode von 2007 bis 2013 begrenzen. Sie plädieren zudem für eine Reduzierung des Beitragsrabatts für Großbritannien, der allein in diesem Jahr ein Volumen von 5,1 Milliarden Euro hat. Großbritannien will einer Änderung jedoch nur zustimmen, wenn auch die EU-Agrarsubventionen gekürzt werden, von denen vor allem französische Bauern profitieren.
Ungeachtet der festgefahrenen Situation hat Luxemburg einen möglicherweise letzten Kompromissversuch unternommen. Danach soll der britische Rabatt frühestens 2013 angetastet werden, zusammen mit den Agrarsubventionen. Bis dahin soll er auf dem Niveau vor der EU-Erweiterung eingefroren werden. Auch den großen Netto-Zahlern Deutschland, Schweden und Niederlande kommt der Vorschlag entgegen und bietet ihnen eine Senkung ihres Beitrags an. Bis 2011 solle die Europäische Kommission zudem eine Reform des Beitragssystems der EU beschließen.
Barroso fordert Kompromissbereitschaft
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso rief die EU-Staats- und Regierungschefs dazu auf, sich auf Kompromisse einzulassen, um das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Nationale Egoismen dürften jetzt nicht im Vordergrund stehen, sagte Barroso in Brüssel. Mit Blick auf den Verfassungsvertrag empfahl der Kommissionspräsident eine Denkpause. Am Donnerstag und Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten über beide Themen beraten.´
Unvereinbare Ansichten
Die Ansichten gingen zu weit auseinander, als das ein Kompromiss zu erwarten sei, sagte Juncker. Lediglich ein Abkommen über die Ausgabenseite des Budgets sei so gut wie erzielt. Trotz aller Appelle zur Kompromissbereitschaft bleibt die generelle Höhe des Budgets umstritten. Die Nettozahler wollen, dass der EU-Haushalt auf maximal ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung fixiert wird.
"Schröder muss hart bleiben
Unmittelbar vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat die Union Bundeskanzler Gerhard Schröder aufgefordert, bei den Finanzverhandlungen hart zu bleiben. Der Spielraum für einen Kompromiss sei sehr begrenzt, sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Matthias Wissmann, der "Berliner Zeitung".
Bauernpräsident appelliert an Schröder
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) aufgefordert, sich beim EU-Krisengipfel für den Fortbestand der Agrarbeihilfen einzusetzen. "Eine weitere Kürzung des EU-Budgets zulasten der wirtschaftlich unter Druck stehenden Landwirte ist in der jetzigen Situation nicht tragbar", schrieb der Präsident des Bauernverbandes in einem Brief an Schröder, der der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt.
Zeit zur Besinnung
Während es bei der Finanzplanung der Staatengemeinschaft vor allem um Macht- und Geldfragen geht, herrscht hinsichtlich der Zukunft der EU-Verfassung anscheinend vollkommene Ratlosigkeit. Barroso sagte: "Die beste Möglichkeit die Verfassung zu retten, ist, sich Zeit zur Besinnung zu nehmen."
Als derzeit dringlichste Aufgabe der EU bezeichnete Barroso, das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen und für Wachstum, Arbeit, Sicherheit und Wohlstand zu sorgen. "Die Referenden haben die EU in Zweifel gestürzt. Wir müssen die Zweifel zerstreuen und den Bürgern das Vertrauen zurückgeben."