Arbeitsamtsdirektorin: Diesen Job hätte sich Angela Merkel einst gut vorstellen können, wenn es mit der politischen Karriere nicht funktioniert hätte. "Es ist eine schöne Aufgabe, Menschen zu Arbeit zu verhelfen", sagte die Kanzlerin in einem just zur Berliner Konferenz über die Förderung der Jugendbeschäftigung in Europa platzierten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" und Blättern verschiedener europäischer Länder. Jetzt formuliert sie ihre Aufgabe so: "In Deutschland und mit meinen Kollegen in Europa politisch die richtigen Weichen zu stellen".
"Es darf keine verlorene Generation geben", lautet Merkels Credo. Aber: "Nirgends kann Arbeitslosigkeit mit einem Schlag beseitigt werden." Doch die Gefahr ist groß, dass die Zeit davon läuft und viele junge Leute in Europa ganz einfach den Anschluss verlieren. 5,5 Millionen Menschen unter 25 Jahren sind ohne Arbeit oder Ausbildung, die meisten davon in Spanien, Portugal, Griechenland. Eine verlorene Generation können sich diese Länder, kann sich aber auch Europa nicht leisten.
"Tropfen auf den heißen Stein"
Vor dem Kanzleramt demonstrierten Gewerkschafter für eine andere Politik: "Europas Jugend braucht mehr als Merkels heiße Luft", war auf einem großen Transparent zu lesen. Und die Forderung nach mehr Geld: "Mittel nicht umschichten, sondern aufstocken."
Das Berliner Treffen - gekommen waren 17 der anderen 27 EU-Staats- und Regierungschefs - knüpfte an den EU-Gipfel von Brüssel in der vergangenen Woche an: Dort wurden die seit Monaten diskutierten sechs Milliarden Euro freigegeben, und zwar für die kommenden zwei Jahre. Ursprünglich sollte das Geld auf sechs Jahre verteilt werden. "Nur ein Tropfen auf den heißen Stein", befanden gleichwohl die Kritiker in Opposition und Gewerkschaften.
Ideenbörse für Austausch von Erfahrungen
In Berlin wurde kein weiterer Geldtopf aufgemacht. Die Konferenz im Kanzleramt war vielmehr eine Art Ideenbörse für den Austausch von Erfahrungen mit den erfolgreichsten Konzepten, Reformen und Strukturen. Im Englischen heißt das "best practice". Kein Land kann freilich zu einer bestimmten Politik gezwungen werden, denn jeder EU-Staat ist bei der Arbeitsmarktpolitik souverän. Ohnehin ist auch den Deutschen klar: "Es gibt nicht das beste Konzept, das auf alle Länder passt."
Deutschland - vor Jahren noch der kranke Mann Europas, inzwischen aber dank Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsboom mit gefüllten Sozialkassen gut aufgestellt - hat in einigen EU-Länder gleichwohl einen zweifelhaften Ruf. Es gilt vielen als Sparkommissar, dessen Rezepte die Krise immer nur weiter anheizen. Denn die Not ist vielerorts groß. Die Länder in Europas Süden rufen um Hilfe.
Die Protestierenden dort reagieren allergisch auf Belehrungen und kluge Ratschläge, zumal wenn sie aus Deutschland kommen. Ein schwieriges Feld. Deshalb hatte die Konferenz auf Einladung Merkels vor allem eine Botschaft: "Wir kümmern uns, wir lassen Euch nicht allein."
Thema kommt im Wahlkampf gut an
Das kommt - zusammen mit den TV-Bildern vom großen Treffen im Kanzleramt - vor allem im Wahlkampf erfahrungsgemäß gut an. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, monierte inhaltsleere Symbolpolitik und kommentierte spitz: "Das ist der 49. Gipfel, den diese Bundesregierung veranstaltet."
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück reklamierte für seine Partei das Urheberrecht an Initiativen für mehr Jugendbeschäftigung - und das seit langem. Die Kanzlerin habe sich bedient, weil es jetzt eben passe. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte Merkel "eine Art Dieb, die der Jugend Europas die Zukunft stiehlt."
Tatsächlich hat die Bundesregierung zuletzt an Brüssel vorbei bilaterale Abkommen geschlossen, etwa mit Spanien und Portugal. Ihnen sagte die Bundesregierung mit Blick auf zehntausende nichtbesetzte Lehrstellen hierzulande Hilfe beim Abbau der Jugendarbeitslosigkeit zu. Berlin mag das auch als einen Kommentar auf das aus seiner Sicht zu zögerliche Agieren der EU verstehen.