Fall Litwinenko Killer vom russischen Geheimdienst?

Der russische Geheimdienst FSB ist nach Ansicht britischer Ermittler für den Giftanschlag auf den Ex-Spion Litwinenko verantwortlich. Der FSB habe diesen "hochkomplizierten Mordversuch" organisiert, zitiert die Zeitung "Times" britische Geheimdienstquellen. stern.de zeigt das Video eines der letzten öffentlichen Auftritte Litwinenkos.

Die Untersuchungen im Mordfall des russischen Ex-Spions Alexander Litwinenko drohen, die Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien empfindlich zu stören. In der vergangenen Nacht landete ein Team von Scotland Yard in der russischen Hauptstadt, um fünf Männer zu verhören, die alle in der Zeit die Erkrankung Litwinenkos am 1. November nach London geflogen sind. Unter diesen befindet sich mindestens ein Ex-Agent des russischen Geheimdienstes FSB.

Während ihre Kollegen in Moskau sich auf die Befragungen vorbereiteten, veröffentlichte die englische Tageszeitung "Times" heute das erste Mal einen konkreten Hinweis der britischen Sicherheitsbehörden. Ein anonymer Informant aus den Kreisen der Geheimdienste teilte der Zeitung mit, dass "der russische FSB diesen hoch-komplizierten Mordversuch orchestriert hat", und dass er dafür höchstwahrscheinlich einen seiner Ex-Agenten benutzt habe, der die Operation in London ausgeführt haben soll. "Wir wissen, wie der FSB im Ausland vorgeht, und die Umstände von Litwinenkos Tod lassen darauf schließen, dass der FSB der Hauptverdächtige sein muss", soll die Quelle weiter gesagt haben.

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"Absolute, verdammte Frechheit"

Diese Anschuldigungen werden die Spannungen zwischen der britischen und russischen Regierung weiter verschärfen. Inzwischen wurde bekannt, dass die russische Regierung einen Protest-Brief an die britische Außenministerin Magaret Beckett verschickt hat, in dem der Kremlin seinen Ärger darüber ausdrückt, dass die britische Regierung die Veröffentlichung von Litwinenkos Mord-Anschuldigungen gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zugelassen habe.

Britische Politiker reagierten empört angesichts dieser Kritik. Dame Pauline Neville-Jones, ehemalige Vorsitzende des gemeinsamen Ausschusses der Geheimdienste, nannte die Note "ehrlich gesagt eine absolute, verdammte Frechheit". Dies sei der Versuch, russische Politik auf britischem Boden auszuspielen. Der ehemalige Außenminister Tony Lloyd sagte: "Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass irgendeine fremde Macht versucht, die Redefreiheit in Großbritannien zu beschränken."

Dagegen warnte der russische Außenminister Sergei Lawrow gestern in Brüssel: "Es ist nicht akzeptabel, dass mit Hilfe von offizieller Seite eine Kampagne aufgebauscht wird. Natürlich gefährdet dies die britisch-russischen Beziehungen. Jedwede Politisierung dieses Falls, dieser Trägodie, sollte unterlassen werden."

Strahlen-Messungen in britischer Botschaft

Währenddessen begannen die Detektive von Scotland Yard ihre Untersuchungen in Moskau mit Strahlen-Messungen in der britischen Botschaft. Sie sollen sich dabei auf den Raum konzentrieren, in dem der Ex-FSB-Agent Andrei Lugowoi und sein Geschäftspartner Dmitri Kowtun am 23. November erste Informationen über ihre Londoner Reise an den stellvertretenden britischen Botschafter weitergegeben haben.

Lugowoi gilt als der Mann, den Scotland Yard besonders dringend befragen möchte. In den 14 Tagen vor dem 1. November, an dem Litwinenko krank wurde, ist er dreimal nach London gereist und hat Litwinenko unter anderem im Millenium-Hotel getroffen, in dem auch Polonium-210-Spuren gefunden wurden. Auch in den Flügen, die er benutzte, und einem weiteren Hotel, in dem er abstieg, wurde das radioaktive Gift gefunden.

Lugowoi bestreitet, irgendetwas mit dem Tod von Litwinenko zu tun zu haben. Er vermutet, dass er und sein Geschäftspartner Kowtun von den wahren Mördern als Ablenkungsmanöver benutzt worden seien. Beide haben von Anfang an ihre Bereitschaft signalisiert, mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten, und bereits erste Informationen an die Briten weitergegeben.

Selbst wenn das Team von Scotland Yard bei ihren Untersuchungen in Moskau tatsächlich einen Mordverdächtigen ausmachen sollte, wird es beinahe unmöglich sein, diesen vor ein britisches Gericht zu bringen. Zwischen Russland und Großbritannien gibt es keinen bilateralen Auslieferungs-Vertrag, und russische Gesetze verbieten sogar die Auslieferung der eigenen Staatsbürger an einen anderen Staat.

Ein Problem dürfte auch sein, dass sich bisher Großbritannien wenig um Auslieferungsanträge aus Russland geschert hat. Russische Ermittlungsbehörden versuchen seit Jahren, 16 Exilanten aus Großbritannien zurückzuordern, darunter auch den Milliardär und Mentor Litwinenkos, Boris Beresowski. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, einen Putsch in Russland zu planen. Das britische Außenministerium hat die russischen Gesuche regelmäßig abgelehnt – die Emigranten seien Opfer politischer Machtspiele und könnten daher in Russland keinen fairen Prozess erwarten.