Im Westen sind die Berge der Libanons wenig bekannt, auch nicht, dass es dort regelmäßig schneit und es eines der beliebtesten Ski-Gebiete der reichen Araber ist. Die Berge waren schon immer eine natürliche Grenze zwischen Syrien und dem Libanon. Heutzutage trennen sie ein Kriegsgebiet von einer Zone relativer Sicherheit.
Dorthin wollte eine Gruppe von etwa 70 Syrern Ende Januar gelangen, die "Washington Post" zeichnet ihren Weg nun nach. Sie waren nicht die ersten, die diesen Pfad gehen wollten, doch ihre Gruppe geriet in einen verheerenden Schneesturm. Am Morgen waren 15 Menschen erfroren.
Ihr Schicksal kam ans Licht, nachdem die Rettungskräfte Fotos der Toten auf Facebook veröffentlicht hatten. Drei Erwachsene und ein Kind lagen dort starr gefroren nebeneinander. Eine Frau hatte Schutz in einem Dornbusch gesucht, ihr Kind war kopfüber aus ihren Armen gefallen. Die Füße mit rosa Turnschuhe zeigten nach oben. Nur ein kleines Mädchen war noch am Leben. Die Hälfte ihres Gesichts war von Frostbeulen bedeckt.
Flucht vor der nahenden Front
Shihab al-Abed, 43, und mehr als ein Dutzend Verwandte gehörten zu der Gruppe. Sie stammen aus der Provinz Deir ez-Zor. Ihr Dorf geriet unter die Kontrolle des Islamischen Staates. Als die Herrschaft der Terrororganisation zusammenbrach, befand sich ihr Dorf plötzlich an der Frontlinie zu Assads Truppen. Nachdem das Haus von einer Granate getroffen wurde, mussten sie fliehen - nach Damaskus. Shihab und seine Mutter, Frau, Schwester, drei Töchter und ein Sohn, drei Enkelkinder, eine Schwägerin und zwei Nichten. Ein Schmuggler versprach ihnen, sie für 140 Dollar pro Kopf in den Libanon zu bringen. Eine einfache Route, eine halbe Stunde entlang einer Straße. Eine einfache Sache, versprach der Schmuggler.
"Aber er hat gelogen", sagte Shihab der "Washington Post." Offenbar ist es üblich, dass die Schmuggler die Flüchtlinge über die Beschwernisse des Weges im Unklaren lassen. Dabei wurden sie nicht wirklich betrogen. Am vereinbarten Ort wartete, wie versprochen, ein Führer, er verlangte auch nicht mehr Geld von Shihab. Doch der Weg verlief nicht entlang der Straße, sondern führte ins Gebirge. Dorthin folgten sie ihrem Führer, Abu Hashish, in die Dunkelheit und den Regen.
Unvorbereitet für die schwere Tour
Mit zunehmender Höhe wurde Schnee aus dem Regen. Shihabs Tochter, Hanan, trug nur Plastiksandalen, sie warf sie weg, um schneller voran zu kommen. Als erstes konnte seine 70-jährige Mutter nicht weiter. Shihabs Frau, Anout, seine Schwester Dalal und die Töchter Amal und Abir blieben bei der alten Frau. "Den Frauen wurden immer kälter und kälter und sie wurden schläfriger und schläfriger und schläfriger. Da beschlossen wir, uns einfach auszuruhen", sagte Tochter Abir, die diese Nacht überlebte. "Wir legten uns alle hin und dachten, dass wir am nächsten Morgen den Weg schon finden würden." Ein Zeichen, wie wenig diese Menschen aus der Wüste im Osten Syriens von Wanderungen und der Wildnis verstanden. Aus dem Schlaf im Schnee wacht man häufig nicht wieder auf.
Weiter vorn stapfte Shihab den Berg hinauf, seine 3-jährige Nichte Sarah in den Armen. Am Weg lag ein toter Mann, ein Mädchen weinte neben ihm. Später rutschte Shihab aus und brach sich die Rippen. Der Körper der Nichte war inzwischen leblos und kalt geworden. Shihab legte sie den Schnee. "Sie war kalt und bewegungslos", sagte er. "Ich dachte, sie wäre gestorben."
Am Morgen wachte seine Tochter Abir auf, die anderen Frauen bei ihren waren steif gefroren. "Ich konnte ein Haus sehen, also ging ich los, um Hilfe zu holen. Es war ein Armeeposten. Die Soldaten zogen los, um unsere Frauen zu holen."
Nachtmarsch von sieben Stunden
Nach sieben Stunden erreichten Shihab und die anderen Überlebenden den Fuß des Berges. Dort erfuhr er, dass seine Frau, seine Mutter, seine Schwester und sein Enkel Yasser tot waren. Das Schicksal seiner Nichte Sarah, ihre Schwester und ihre Mutter waren unbekannt. 15 Leichen wurden später gefunden. Die meisten Überlebenden konnten am nächsten Tag entlassen, werden, sagte George Kortas, Arzt und Leiter des Krankenhauses, der "Washington Post".
Nur ein etwa dreijähriges Mädchen war kaum ansprechbar und hatte Erfrierungen dritten Grades im Gesicht. Die Hälfte ihres Gesichts war eine Masse von schwarzem Narben, dort wo ihre Wange im Schnee gelegen hatte. "Es ist ein Wunder, dass sie noch am Leben ist. Sie ist ein starkes kleines Mädchen, und ihre Organe haben sich gut erholt", sagte Kortas der Zeitung. "Aber sie wird viele Schönheitsoperationen brauchen, um ein normales Leben führen zu können."
Ein Kind und ein fremder Vater
Die Lebenden und die Toten wurden von Verwandten abgeholt, nur das kleine Mädchen holte niemand. Doch nach fünf Tagen erreichte ihr Vater das Krankenhaus. Mishan al-Abed lebt in Tripolis und hatte die Fotos seiner Familie auf Facebook gesehen. Die Tote im Dornbusch war seine Frau. Das Mädchen in ihren Armen seine 4-jährige Tochter Heba. Erst später erfuhr er, dass es im Krankenhaus ein nicht abgeholtes Mädchen gab, seine Tochter Sarah. Er hatte Sarah nur einmal gesehen, als sie noch ein Kleinkind war. "Sie kennt mich nicht, und ich kenne sie auch nicht", sagte er der Zeitung und doch sind die beiden alles, was von der Familie blieb.
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