Nirgendwo riecht es in Washington derzeit stärker nach Versagen als im und um das Weiße Haus herum. All die schöne Macht, die die konservativen Republikaner in den vergangenen Jahren in den Händen hielten, ist verloren gegangen. Weil Verlieren in der Welt von Donald Trump und seiner Unterstützer aber nicht vorgesehen ist, beginnen sich erste Medien vom US-Präsidenten abzuwenden, die ihm bis vor Kurzem noch blind ergeben waren.
Anlässe für einen Liebesentzug hätte es in den vergangenen vier Jahren viele gegeben, aber erst die Erstürmung des Kapitols durch einen rechten Mob scheint einigen hartgesottenen Trumpisten die Unappetitlichkeit ihres Idols vor Augen geführt zu haben.
So urteilen Fox, Breitbart und Co. über Donald Trump
Fox News etwa, bis vor wenigen Monaten noch unbeirrt an der Seite des US-Präsidenten, hat sich entschieden, Trump gänzlich fallen zu lassen. Tucker Carlson, einer von Trumps größten Fan-Boys, schafft das Kunststück, die Randalierer einerseits zu verstehen, dem Präsidenten aber Lebewohl zu sagen. "Millionen Amerikaner sind zu dem Schluss gekommen, dass die Wahl manipuliert worden ist. Man kann sie für verrückt erklären oder sie Verschwörungstheoretiker nennen – aber das würde nichts an ihrer Einstellung ändern", so der Moderator am Mittwoch. Nur einen Tag später lässt Tucker dann das Fallbeil los: "Donald Trump hat sein Ablaufdatum erreicht. Und man muss sich fragen: Ist ein einziger Präsident all diese Zeit und Aufmerksamkeit wert?"
Nicht weniger deutlich: Breitbart.com. Die rechte Newsseite, gegründet von Trumps früheren Vertrauten Steve Bannon, titelt prominent "Es ist vorbei". In dem dazugehörigen Artikel wird ausführlich auf das Video des US-Präsidenten eingegangen, in dem er die Erstürmung des Kapitols verurteilt und eine geordnete Amtsübergabe an Wahlgewinner Joe Biden ankündigt. Nur kurz zuvor hatte an gleicher Stelle die prominente, rechte Bestseller-Autorin Ann Coulter mit dem Präsidenten abgerechnet: "Es ist immer das gleiche mit Trump. Er redet viel, aber tut nichts. Er hat über massiven Wahlbetrug gesprochen – aber nichts unternommen. Als die Städte brannten, hat er über Law and Order gesprochen – aber nichts unternommen. Er hat über die Mauer (an der Grenze zu Mexiko, d. Red.) gesprochen – aber gerade einmal ein Dutzend Meilen gebaut."
"Rücktritt wäre die sauberste Lösung"
Auch einer der wenigen Trump-freundlichen Blätter aus der bürgerlichen Ecke, das "Wall Street Journal", legt dem US-Staatsoberhaupt Konsequenzen nahe: "Wenn Mr. Trump ein zweites Impeachment vermeiden will, wäre es für ihn das Beste, persönlich Verantwortung zu übernehmen und zurückzutreten. Dies wäre die sauberste Lösung, weil es die Präsidentenpflichten unmittelbar an (Vizepräsident Mike) Pence übertragen würde. Wir wissen, dass eine solche Anstandsgeste Donald Trumps nicht wahrscheinlich ist. Auf jeden Fall hat ihn diese Woche wohl als ernstzunehmende politische Figur erledigt."
Die Seite "Infowars" wird von dem bekannten Rechtsextremen Alex Jones betrieben, der bei den Protesten am Kapitol vor Ort war und per Megafon seine Botschaften unters Volk brachte. Auf seinem Kanal herrscht noch so etwas wie trotzige Hoffnung, dass die Zeit des Präsidenten möglicherweise doch noch nicht zu Ende ist. Neben der Aufmachergeschichte steht eine offenbar ernstgemeinte Umfrage: "Glauben Sie, dass nach den Ereignissen vom 6. Januar Donald Trump für eine zweite Amtszeit vereidigt wird?" Eine knappe Mehrheit (56 Prozent) sagt zwar "Nein", doch fast ein Drittel antwortet mit "Ja". Bizarr ist dabei schon die Art der Frage, die suggeriert, als hätte es vor dem Tag der Washingtoner Ausschreitungen noch eine Chance bestanden, dass Donald Trump weitermachen könne.
Auch der "Federalist" als rechtslastige, Trump-freundlich Seite will sich noch nicht gänzlich vom Präsidenten lösen. Mit keinem Wort wird auf Trumps Rolle im Vorfeld der Kapitol-Erstürmung eingegangen, dafür aber finden sich zahllose Beiträge, die sowohl die Proteste als auch die Eskalation relativieren. Etwa: "Warum ich mich am 6. Januar dem Marsch für Trump angeschlossen habe." Oder: "Die Medien regen sich nicht über den Kapitol-Aufstand auf, um die Demokratie zu verteidigen, sondern um Macht auszuüben." Eine Autorin des Magazins allerdings übt durchaus Kritik am Staatsoberhaupt: "Trump hat ihnen erzählt, ein Erdrutschsieg wurde ihnen gestohlen. Was einer Krise gleichkäme. Und so haben sie eben gehandelt. Was hat Trump denn erwartet?", fragt sich Autorin Emily Jashinsky rhetorisch.
OANN hält sich über Trump (noch) zurück
Seitdem sich sein einstiger Lieblingssender Fox News langsam aber sicher aus der Umarmung mit dem Weißen Haus löst, hat sich One American News Network (OANN) zum Favoriten Trumps gemausert. Doch dort am Sendersitz im kalifornischen San Diego hält man sich (noch) vornehm mit einer abschließenden Meinung über den US-Präsidenten zurück. Seine Rolle in den vergangenen Tagen wird bislang weitgehend ignoriert.
Selbstkritische Stimmen aus dem rechten Lager gibt es durchaus: Kevin Williamson von der konservativen "National Review" schreibt: "Die Trump-Präsidentschaft hat in Schande und mit Lüge begonnen. Sie endet in Schande, mit Lügen, Feigheit und Rebellion gegen die Verfassung. In den letzten Wochen hatten die rechten Medien, einschließlich der großen Radiosendungen, vorsichtig eine Revolution gefordert. Natürlich haben sie nie gedacht, dass sie tatsächlich eine bekommen würden. Doch diese Art von Berichtserstattung ist eben gut fürs Geschäft."
Quellen: "The Federalist", Breitbart.com, Fox News, Infowars, "The National Review", "Wall Street Journal"