Überraschendes Ergebnis Erleichterung und Sorge: Deutsche Politik reagiert auf Frankreich-Wahl

Frankreich: Macron verlässt die Wahlkabine
Aufatmen in Frankreich: Das rechtsnationale Rassemblement Nationale liegt hinter dem Mitte-Bündnis von Staatspräsident Emmanuel Macron
© Eliot Blondet-Pool/SIPA / Action Press
Nach der Frankreich-Wahl überwiegt bei der Bundesregierung eine "gewisse Erleichterung". Es gibt aber auch warnende Stimmen: Die Gefahr der Extreme sei keineswegs gebannt.

Nach dem Dämpfer für die Rechtspopulisten bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich hat die Bundesregierung erleichtert reagiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Montag in Nürnberg: "Ich und die ganze Bundesregierung sind durchaus erleichtert." Für Präsident Emmanuel Macron wäre es eine "große Herausforderung" gewesen, wenn "eine rechtspopulistische Partei" die Regierung geführt hätte. 

Die Reaktionen der deutschen Politik waren aber auch geprägt von der Sorge vor politischer Instabilität in dem Nachbarland, das Deutschlands wichtigster Handelspartner und engster politischer Verbündeter ist.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit beschrieb die Gemütslage der Bundesregierung angesichts des Wahlergebnisses mit den Worten: "Es überwiegt eine gewisse Erleichterung, dass Dinge, die befürchtet worden sind, nicht eingetreten sind." Damit spielte er auf den in Umfragen prognostizierten Wahlsieg des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) an, der überraschend nur auf Platz drei landete.

Scholz: Frankreich für die Weiterentwicklung der EU unverzichtbar

Scholz betonte den besonderen Stellenwert des deutsch-französischen Verhältnisses auch für ein friedliches und freies Europa. Er hoffe, dass es Macron gelingen werde, "eine konstruktive Regierungsbildung zustande zu bringen". Für die anstehenden großen Aufgaben auf EU-Ebene – die Weiterentwicklung der Union und die Aufnahme neuer Mitglieder – sei das Nachbarland unverzichtbar, sagte der Kanzler. "Das geht nur zusammen mit Frankreich."

In der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl am Sonntag war der rechtspopulistische RN, der auf eine absolute Mehrheit gehofft hatte, nur auf Platz drei gelandet. Stärkste Kraft wurde das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront. Macrons Regierungslager kam auf Platz zwei. Keiner der drei Blöcke verfügt jedoch über eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung, weshalb die Regierungsbildung schwierig werden dürfte.

Darauf wies auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hin. Zu seiner Bewertung des Wahlergebnisses sagte er im TV-Sender Welt: "Beruhigend wäre das falsche Wort, aber es ist gut, dass Nationalismus in Europa nicht immer stärker wird". Frankreich stehe eine "ganz schwierige Regierungsbildung" bevor. "Man kann jetzt nicht sagen: Das ist jetzt gut gelaufen, Häkchen dran, jetzt kümmern wir uns an andere Dinge."

In der FDP wurde die Sorge laut, dass nach dem Sieg des Linkslagers eine künftige französische Regierung in der Haushaltspolitik stark auf Schuldenaufnahme setzen könnte. "Es darf jetzt kein Aufweichen der Stabilitätsregeln über EU-Schulden geben, nur damit einzelne Mitgliedsstaaten wie Frankreich ihre nationalen Haushalte auf Kosten der europäischen Allgemeinheit sanieren", sagte FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer der Nachrichtenagentur AFP.

Sein Parteikollege, der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Link, sieht nach dem Erfolg des Linksbündnisses in Frankreich die Gefahr der Extreme keineswegs gebannt. "Die ersten aggressiven Reaktionen Le Pens und Mélenchons sprechen Bände", sagte Link, der auch Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung ist. Er ergänzte: "Ein starkes Signal wäre jetzt eine republikanische Mehrheit aus Macrons Mitte plus Sozialdemokraten à la Glucksmann plus denjenigen konservativen Républicains, die sich vom RN klar distanziert haben."

Zwiegespalten zeigte sich der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid im AFP-Interview: "Einerseits bin ich erleichtert darüber, dass der Vormarsch des Rassemblement National eingedämmt wurde, andererseits bin ich in Sorge über die zu erwartende politische Instabilität." 

Zwar gebe es nach wie vor eine klare Mehrheit von pro-europäischen Kräften, sagte Schmid. Dies werde es Deutschland ermöglichen, bilateral und in der EU die enge Zusammenarbeit mit Frankreich fortzusetzen, etwa mit Blick auf die militärische Unterstützung der Ukraine. "Es ist jedoch ungewiss, ob sich diese Kräfte zu einer Regierungsbildung oder gar zu einer festen Koalition zusammenraufen werden", fügte er hinzu. Damit werde Frankreichs Rolle auf internationaler Ebene geschwächt.

Unterschiedlich fielen in Deutschland die Bewertungen von Macrons Entscheidung aus, die Parlamentswahl in Frankreich nach dem Triumph der Rechtspopulisten bei der Europawahl Anfang Juni vorzuziehen. Macrons politisches Projekt, die Mitte in Frankreich zu stärken, sei "krachend gescheitert", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), dem "Tagesspiegel". Macron habe "die politische Mitte geschreddert". Linken-Chef Martin Schirdewan sagte, Macron habe sich "verzockt": "Der Preis wäre beinahe eine Machtergreifung der extremen Rechten gewesen."

Der CDU-Abgeordnete Armin Laschet hingegen lobte Macrons Strategie, weil sie klar gemacht habe, dass die extreme Rechte keine Mehrheit habe. "Marine Le Pen hätte drei Jahre lang erzählt: Wir sind eigentlich die Sieger, wir waren bei der Europawahl vorne", sagte der CDU-Politiker im ZDF. "Aber sie haben ein Drittel, nicht mehr."

Die europäischen Regierungschefs halten sich zumindest mit öffentlichen Reaktionen noch zurück. Nur der polnische Ministerpräsident Donald Tusk schrieb auf X: "In Paris Begeisterung, in Moskau Enttäuschung, in Kiew Erleichterung. In Warschau reicht es zum Glücklichsein."

AFP · DPA
jof

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