Altkanzler exklusiv Warum wir ein Interview mit Gerhard Schröder geführt haben

Altkanzler exklusiv: Warum wir ein Interview mit Gerhard Schröder geführt haben
© stern
Gerhard Schröder spricht im stern erstmals ausführlich über den Ukraine-Krieg und seine Treue zu Wladimir Putin. Manche Fragen bleiben offen, manche Antwort lässt einen ungläubig zurück. Aber das Gespräch leistet einen Beitrag.

Es ist schwer, einen Termin bei Gerhard Schröder zu bekommen. Zwar arbeitet der Mann nicht mehr als Bundeskanzler. Er ist nun Ruheständler, gelegentlich Anwalt und natürlich Gas-Lobbyist. Aber erst weilte Schröder in Südkorea, dann tauchte er plötzlich in Moskau auf, danach golfte er bei Hannover. Und vor allem: Schröder, einst meist umgeben von einer Entourage, ist mittlerweile fast als Ich-AG unterwegs. Sein Altkanzlerbüro in Berlin befindet sich in Auflösung, seine heimische Sekretärin ist im Urlaub, Kommunikation läuft per Fax. Dann geht Schröder von seiner Wohnung in Hannover runter in seine Kanzlei und holt die Seiten selbst aus dem Faxgerät.

Es ist auch deswegen schwer, weil Schröder misstrauisch geworden ist. Der Mann, der als der erste deutsche Medienkanzler galt, spricht kaum noch mit Medien. Die "New York Times" hat er vor einigen Monaten getroffen, aber danach fühlte er sich nicht gut behandelt. Für die "FAZ" hatte er nur ein paar Zitate. Nun, im stern, spricht der Altkanzler zum ersten Mal ausführlich seit Beginn des Ukrainekrieges, weil er einiges klarstellen will. In Moskau lief er in einen Reporter von ntv, und als der fragte, was er dort mache, sagte er: "Urlaub." Schröder meinte das als Witz. Im stern-Gespräch will er rasch klarmachen: Ja, er habe vorige Woche Wladimir Putin getroffen, und er würde ihn auch wieder treffen, denn: "Vielleicht kann ich noch mal nützlich sein."

Gerhard Schröder will nicht um Entschuldigung bitten

Ist es angebracht, ein Interview mit Schröder zu führen, während wir über russische Kriegsverbrechen erschrecken? Mit einem Mann, dessen Sache Entschuldigungen nicht sind? Der Ukrainekrieg sei ein Fehler, sagt er, fügt aber hinzu: "Würde eine persönliche Distanzierung von Wladimir Putin wirklich irgendjemandem etwas bringen?"

Es sind Momente, in denen man schluckt. Auch weil Schröder ja oft ein cooler bis volksnaher Kanzler war. "Hol mir mal ’ne Flasche Bier, sonst streik ich hier", sagte er. Er wusste immer, was die Bürger denken, er, der Mann, der aus einfachsten Verhältnissen aufgestiegen war und der einen moralischen Kompass zu haben schien, etwa als er den Irakkrieg ablehnte. Und jetzt ist er verbandelt mit dem Kreml?

Wir haben uns entschieden, das Gespräch mit Schröder als Wortlautinterview zu drucken. Denn es leistet einen Beitrag. Nicht zur Frage, wer schuld ist an diesem Angriffskrieg in der Ukraine, das ist ganz klar Russland. Sondern zu der Frage, wie eine Verhandlungslösung aussehen könnte und was die russische Seite denkt. Und: Der vielleicht beste Wahlkämpfer der Bundesrepublik zeigt immer noch sein feines Gespür für Stimmungen. Als es darum geht, ob wegen der Energiekrise neue Verteilungskämpfe in Deutschland drohten, sagt Schröder, in der Haut der Verantwortlichen wolle er dann nicht stecken.

Dieses Interview haben mein Kollege Nikolaus Blome, Politikchef von RTL und ntv, und ich an einem Hochsommertag in Hannover geführt. Manche Fragen bleiben offen, manche Antwort lässt einen ungläubig zurück. Urteilen Sie selbst. Ein Zeitdokument ist es in jedem Fall.