Griechenland Ärger vor Parlamentswahlen: Rechtsradikaler Politiker betreibt Wahlkampf trotz Inhaftierung

Ilias Kasidiaris spricht vor Publikum. Er will für die kommenden Parlamentswahlen in Griechenland kandidieren.
Der einstige Abgeordnete der Goldenen Morgenröte, Ilias Kasidiaris, spricht während einer Kundgebung in Griechenlands Hauptstadt, Athen, im September 2018 gegen den Bau einer Moschee
© NurPhoto | Panayotis Tzamaros / Picture Alliance
Ilias Kasidiaris, einst ranghoher Abgeordneter der rechtsradikalen griechischen Partei Goldene Morgenröte, muss noch über zehn Jahre eine Haftstrafe absitzen. Dennoch will er mit seiner neuen Partei bei den Parlamentswahlen in Griechenland antreten – und betreibt Wahlkampf aus seiner Zelle heraus.

Nachdem bekannt geworden war, dass Ilias Kasidiaris mit seiner Partei, Ellines (Griechen), bei den Parlamentswahlen im Mai antreten möchte, begann der Unmut in Griechenland. Die mögliche Rückkehr ins Parlament eines wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilten Ex-Abgeordneten der rechtsradikalen Partei Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) stieß in der Politik auf deutliche Abstoßung. Er löste gar Streit zwischen den einzelnen Parteien im Land aus. Sie schoben sich gegenseitig die Schuld für ein erneutes Aufleben einer rechtsextremen Partei zu. Die linke Syriza unter Ex-Ministerpräsident Alexis Tsipras sowie die sozialdemokratische Partei Pasok warfen dem Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis vor, seit über zwei Jahren zuzulassen, dass Kasidiaris, der den Holocaust leugnet, Wahlkampf aus dem Gefängnis betreibe.

An die Zeiten der Goldenen Morgenröte als Oppositionspartei im Parlament wollen sich wohl höchstens die rechten Wählerinnen und Wähler in Griechenland erinnern. Einst angeführt von Parteichef Nikolaos Michaloliakos gehörte Kasidiaris zu den ranghöchsten Mitgliedern der Partei und war dort Pressesprecher. Im Jahr 2012 sorgte der heute 42-Jährige international für Aufsehen, als er während des Wahlkampfs die Vertreterin des Bündnisses der radikalen Linken in einer Talkshow mit einem Glas Wasser übergoss. Danach verpasste er der Vertreterin der Kommunistischen Partei zwei Ohrfeigen und einen Faustschlag. Einige Monate später wurde seine Immunität als Abgeordneter aufgehoben, um ihn vor Gericht zu bringen.

Das war längst nicht die einzige Tat, durch die der rechtsextreme Politiker und seine Partei auffielen. Sie beschäftigte wegen Nazi-Verherrlichung und gewaltsamen Aktionen gegen Ausländer schon lange die Behörden. Nachdem im September 2013 der linke Musiker Pavlos Fyssas von Mitgliedern der Goldenen Morgenröte erstochen worden war, gab es auch gegen hochrangige Politiker der Partei polizeiliche Ermittlungen. Zudem wurde Kasidiaris, der eine Hakenkreuz-Tätowierung auf dem Oberarm trägt, 2014 wegen illegalen Waffenbesitzes und der Gründung einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Seit Herbst 2020 verbüßt er – ebenso wie zahlreiche seiner ehemaligen Parteikollegen – eine 13,5-jährige Gefängnisstrafe.

Griechenland: Parlament stimmt für Verbot von Ellines

Kasidiaris wirbelt derzeit die Politik in Griechenland auf, betreibt Wahlkampf aus dem Gefängnis – inzwischen aber mit seiner eigenen Partei, die er vor seiner Festnahme 2020 gründete. Regelmäßig meldet er sich dafür aus seiner Zelle heraus auf Twitter und in seinem Youtube-Kanal zu Wort, gibt sogar Telefon-Interviews.

Um zu verhindern, dass eine rechtsextreme Partei erneut ins Parlament gewählt wird, brachte die regierende Partei Nea Dimokratia neulich einen Antrag für eine Gesetzesänderung auf den Weg. Sie sollte es dem Obersten Gericht möglich machen, kriminelle Organisationen und konkret die Partei Ellines zu verbieten. Der für die Untersuchung beauftragte Richter und Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes, Christos Tzanerikos, trat daraufhin einen Tag vor der geplanten Parlamentsabstimmung zurück. Zuvor hatte er in einer öffentlichen Erklärung von "einer noch nie dagewesene Regelung für die gerichtliche Chronologie" gesprochen und bezeichnete das Vorgehen als "einen direkten Eingriff in die Funktionsweise des Obersten Gerichtshofs". Die Regierung hingegen dementierte jeglichen Eingriff in die Arbeit des Obersten Gerichts.  

Vergangenen Dienstag kam es dann zur Abstimmung im Parlament. Neben der konservativen Nea Dimokratia, welche nach dem verheerenden Zugunglück mit mindestens 57 Toten Ende Februar erheblich an Beliebtheit verloren hat, stimmte Pasok dafür. Syriza bezeichnete den Vorstoß als verfassungswidrig und enthielt sich. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), Mera25 von Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis und die rechtspopulistische Elliniki Lisi stimmten dagegen. Dennoch erhielt der Änderungsantrag die Mehrheit. Die Entscheidung über die Zukunft der Partei Ellines liegt jetzt in den Händen des Obersten Gerichtshofs.

Kasidiaris ernennt pensionierten Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs zum Parteivorsitzenden

Doch Kasidiaris gibt sich bislang nicht geschlagen. Er hat mit Anastasios Kanellopoulos einen pensionierten Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs zum Parteivorsitzenden ernannt. Dieser dürfte ein Verbot von Ellines durch das Oberste Gericht nicht so leicht hinnehmen. Schließlich ist er mit der Gesetzgebung vertraut und kommt außerdem aus einer bekannten Juristenfamilie. Er hat zwei Brüder am Obersten Gerichtshof: Einer ist Richter und der andere Vizepräsident. Ein dritter Bruder ist ein bekannter Anwalt.

Sollte das Gericht tatsächlich für ein Verbot von Kasidiaris' Partei stimmen, so könnte der Nazi-Politiker vors Wahlgericht, das oberste Sondergericht, ziehen – wenn eine Entscheidung hier auch erst nach den Parlamentswahlen getroffen werden würde. Zudem könnte Ellines beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage einreichen, berichtet das Nachrichtenportal "The Toc" und beruft sich auf nicht näher genannte juristische Quellen. Und sollte das Oberste Gericht in Griechenland Ellines eine Absage erteilen, so könnte der inhaftierte Kasidiaris gerichtlichen "Schutz" erbeten.

Eine Entscheidung wird bis zum 5. Mai erwartet, wenn das Oberste Gericht in Griechenland jene Parteien benennen wird, die für die Parlamentswahlen zugelassen werden. Darüber hinaus soll nun untersucht werden, wie Kasidiaris trotz striktem Handy- und Internetverbot im Gefängnis Nachrichten in die Öffentlichkeit verbreitet.