Griechenland-Rettung Die Ratlosigkeit nach dem Gewitter von Cannes

Eigentlich sollte nach dem G20-Gipfel in Cannes Ruhe einkehren. Doch dann funkte Griechenlands Präsident Papandreou mit einer Volksabstimmung dazwischen. Die ist nun zwar abgesagt - aber sicher ist gar nichts mehr. Eine Analyse.

Der Schock, das Gewitter und die Folgen: Der G20-Gipfel in Cannes hat im Griechenland-Drama viel geboten. Doch am Ende ist man nicht weiter als am Anfang. Wie es mit Hellas und seiner Zukunft als Euro-Land weitergeht, bleibt trotz brutaler Worte und überraschender Wendungen in der Schwebe. Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt höchst vorsichtig, dass nach den Warnungen von G20-Gastgeber Nicolas Sarkozy und ihrer selbst an die unberechenbaren Griechen alles besser wird. Und das gilt, obwohl der überraschende Plan des griechischen Regierungschefs Giorgos Papandreou für ein Referendum inzwischen vom Tisch zu sein scheint. Mehr Klarheit gibt es für die Euro-Kämpfer nicht, nur ein Satz neuer Fragen.

Merkel, die seit gefühlten Ewigkeiten mit Sarkozy darum ringt, Europa mit Griechenland wieder auf einen stabileren Pfad zu bringen, will zu den jüngsten politischen Wendungen in der griechischen Politik am liebsten gar nichts sagen. Wer weiß, welche Volte das Land sich als nächstes leistet, denken viele. Für sie, die Naturwissenschaftlerin, zählen am Ende nur Fakten: Stimmt Griechenland den umstrittenen Beschlüssen des Euro-Gipfels für ein umfassendes Paket zur Krisenlösung in Griechenland und anderswo schnell zu oder nicht?

Das ist die Kernfrage für alles: für die Auszahlung der nächsten Milliardenzahlung an Hellas, vor allem aber für den weiteren Verbleib des todkranken Patienten in der Euro-Zone. Dass sich in dem Land etwas Konkretes zum Besseren getan hat, vermag Merkel erst einmal nicht zu erkennen. Auch dass sich daran schnell etwas ändern könnte, ist nicht ersichtlich. Daher beharrt sie: "Für uns zählen Taten. Wichtig ist, dass schnell ein Ja zu den Beschlüssen vom 27. Oktober kommt."

Am Tag nach dem Gewitter

Immerhin, einen Tag nach dem denkwürdigen Auftritt mit Sarkozy, in dem die beiden Griechenland erstmals ungeschminkt vor die Alternative - bezogen auf den Euro - "Friss oder stirb" stellten, ist die erste Schockstarre geschwunden - jedenfalls bei der Kanzlerin. Gelöst, fast ein wenig heiter, stellt sie sich Gipfelbeobachtern. Sie schaut nach vorn, betrachtet die Folgen des Gewitters, das sie und Sarkozy in Cannes veranstalteten, und sieht: Nichts ist klar, alles ist möglich.

Es gibt Stimmen im deutsch-französischen und europäischen Lager, bei denen man den Eindruck gewinnt, als beschleiche viele inzwischen ein leichtes Bedauern, dass es nun doch nicht zu der so heftig kritisierten Volksabstimmung der Hellenen über ein Ja oder Nein zum Euro kommt. "Dann hätten wir am 4. oder 5. Dezember (dem avisierten Termin) wenigstens Klarheit gehabt", hört man unter Europäern. Und die Chancen dabei - so heißt es mit Verweis auf Meinungsumfragen, nach denen die überwältigende Mehrheit der Griechen sich alles andere als die Drachme zurückwünscht - wären vielleicht nicht schlecht gewesen. Doch das ist schon wieder Geschichte. Die Welt hat sich weitergedreht.

Das krachende Gewitter von Cannes hat jedenfalls gewirkt - allerdings zu dem Preis, dass neue Unsicherheiten entstanden sind. Womöglich wird es noch länger dauern als bislang befürchtet, bis endlich Klarheit gewonnen ist. Die Frage, ob Griechenland in der Euro-Zone bleibt oder nicht, bleibt in der Schwebe. So hatten sich die Zuchtmeister des Euro, die Merkels, Sarkozys und andere, den Ausgang offenbar nicht vorgestellt. Aber eines wollen die politischen Führer aus Deutschland und Frankreich immerhin für sich in Anspruch nehmen: Sie haben politische Führung gezeigt, wohin auch immer.

Reuters
Gernot Heller, Reuters