Haiti Das Chaos regiert die Hauptstadt

In Port-au-Prince regiert das Chaos. Während am Freitag Plünderer über Geschäfte und Warenlager herfielen, machten immer wieder Gerüchte über eine mögliche Ausreise von Präsident Jean-Bertrand Aristide oder einen Einmarsch der bewaffneten Rebellen die Runde.

In Haitis Hauptstadt Port-au-Prince regiert das Chaos. Während viele Einwohner mit einem baldigen Einmarsch der bewaffneten Rebellen rechneten, gingen auch am Samstag die Plünderungen weiter. Militante Anhänger von Präsident Jean-Bertrand Aristide beherrschten die Straßen und bedrohten Autofahrer und ausländische Journalisten. An verschiedenen Stellen der Stadt lagen Leichen auf der Straße. Es war nicht klar, ob es sich um Opfer politischer Auseinandersetzungen oder der allgemeinen Kriminalität handelte. Aristide, dem Frankreich, die USA und Kanada inzwischen die Unterstützung entzogen haben, schloss einen Rücktritt erneut aus.

Aristide verweigert den Rücktritt

"Ich werde diesen Palast am 7. Februar 2006 verlassen, wie es die Verfassung vorsieht", sagte Aristide in einem Telefon-Interview mit der spanischsprachigen Redaktion des US-Fernsehsenders CNN. Befragt, ob sein Rücktritt nicht ein Blutbad vermeiden könne, sagte Aristide, ein Rücktritt sei keine Lösung. Seine Gegner bezeichnete er als "Terroristen und Drogenhändler". Ein Teil von ihnen gehöre zu den Putschisten, die ihn 1991 gestürzt und 5000 Menschen getötet hätten. Aristide forderte die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und sprach sich dafür aus, die internationalen Polizeikräfte in Haiti zu verstärken.

Die militärische Lage im Land blieb unübersichtlich. Nachdem am Donnerstag die im äußersten Südwesten gelegene Stadt Les Cayes, die drittgrößte des Landes, in die Hände von Rebellen gefallen war, gelang es der Polizei und Pro-Aristide-Milizen laut Radioberichten am Freitag, die Stadt zurückzuerobern. Die dortigen Rebellen hatten keine Verbindung zu der Widerstandsfront, die den Norden Haitis beherrscht. Deren Anführer Guy Philippe hatte in den vergangenen Tagen gesagt, dass er Port-au-Prince zunächst nur von den Nachschubwegen abschneiden wolle, um verlustreiche Kämpfe in der Hauptstadt zu vermeiden.

Kaum noch Fluchtmöglichkeiten von der Insel

Ausländer können seit Freitag Haiti kaum noch verlassen, nachdem die internationalen Fluggesellschaften den Verkehr mit der Karibikrepublik eingestellt haben. In Port-au-Prince wurde in der Nacht zum Samstag der unabhängige Radiosender Vision 2000 angegriffen und heftig beschossen. Die US-Botschaft veröffentlichte ein Kommuniqué, in dem sie Aristide für das, was in der Stadt passiert, verantwortlich machte.

Schickt Bush die Marines?

Die USA erwägen die Entsendung von drei Kriegsschiffen mit 2000 Marineinfanteristen vor die Küste von Haiti. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, sagte ein Beamter des Verteidigungsministeriums. Sollten die Schiffe auf den Weg geschickt werden, würde es etwa ein bis zwei Tage dauern, die in Camp Lejeune (North Carolina) stationierten Marines an Bord zu nehmen und dann bis zu zwei weitere Tage, um die Küste zu erreichen. UN-Generalsekretär Kofi Annan ermahnte am Freitag (Ortszeit) Haitis Führung, sich ihrer Verantwortung gegenüber den eigenen Landsleuten bewusst zu sein.

Die USA haben bisher zwei Mal militärisch in Haiti interveniert. Die erste Besetzung des Landes dauerte von 1915 bis 1934. Im Jahr 1994 marschierten 20 000 Soldaten ein, um einem Militärregime ein Ende zu setzen und Aristide die Rückkehr aus dem Exil zu ermöglichen. Im folgenden Jahr gaben die USA das Kommando über diese Mission an die Vereinten Nationen ab.

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