Interview "Myanmar geht uns alle an"

Seit Tagen schaut die Welt nach Myanmar, wo das Militär gewaltsam die Demonstrationen budhhistischer Mönche niederschlagen hat. Aber warum ist das Land plötzlich von solchem Interesse? stern.de sprach mit dem Myanmar-Experten Marco Bünte.

Es sind ungewöhnliche Bilder, die da seit einigen Tagen in unsere Wohnzimmern flimmern: Buddhistische Mönche, gekleidet in roten Umhängen, ziehen in langen Reihen durch die Straßen der Millionenstadt Rangun und demonstrieren für mehr Demokratie in Myanmar. Tausende folgen ihnen dabei. Und an jedem neuen Tag scheint die Gefahr größer zu werden, dass die regierenden Militärs schon bald zum großen Schlag gegen die Aufständischen ausholen. Das Interesse der Deutschen an den Ereignissen in Südostasien ist jedenfalls ungebrochen. Aber warum schauen wir plötzlich auf ein weit entferntes Land, über das wir eigentlich gar nichts wissen? Der Politikwissenschaftler Marco Bünte, Myanmar-Experte am renommierten Hamburger Institut für Asien-Studien, über einen unerwartet wichtigen Konflikt.

Herr Bünte, warum sollte uns Myanmar interessieren?

Myanmar hat immerhin 54 Millionen Einwohner, ist der größte Staat auf dem südostasiatischen Festland. Wenn auf friedlich demonstrierende Mönche geschossen wird, dann werden auch Werte verletzt, die von der Bundesregierung in aller Welt vertreten werden. Und das geht uns alle an.

Das stimmt, aber die Proteste ereignen sich immerhin am anderen Ende der Welt. Es ist nicht unbedingt selbstverständlich, dass auf einmal so viel darüber in deutschen Medien zu hören ist.

Wir können es uns heutzutage nicht leisten, ein Land ganz zu ignorieren. Und die Probleme in Myanmar strahlen auch auf die ganze Region ab, nach Thailand, China, Indien. Wenn es in Myanmar mit Demokratie und Menschenrechten voran geht, dann ist das generell gut für Frieden und Wohlstand im ganzen südostasiatischen Raum.

Welche strategische Bedeutung hat Myanmar in der internationalen Politik? Sind die westlichen Bündnisse überhaupt an dem Staat interessiert?

Für den Westen ist das Land als kleiner Nachbar Chinas relativ uninteressant. Das Land war nach der Machtergreifung der Militärs im Jahr 1962 bis Ende der 80er Jahre konsequent abgeriegelt, hat sich weitestgehend mit sich selbst und seinen inneren Problemen beschäftigt. Es gab auch keinen wirtschaftlichen Fortschritt, weswegen auch ökonomische Interessen nicht als Faktor in Frage kommen können. Selbst als Urlaubsregion ist Myanmar relativ unbedeutend, nur einige westliche Kulturtouristen haben das Land in den letzten Jahren bereist. Nebenbei bemerkt, es ist trotz allem ein sehr schönes Land, das sich kurioserweise gerade durch die Abschottung seine Unabhängigkeit bewahrt hat, es gibt dort kaum Spuren der Globalisierung.

Wie schätzt China die Bedeutung Myanmars ein?

China selbst hat ein starkes strategisches Interesse an Myanmar, weil es über das Nachbarland Zugang zu den südostasiatischen Märkten bekommt und Rohstoffe, wie Öl oder Gas, aus Myanmar bezieht.

Wie drückt sich dieses Interesse aus?

China ist an stabilen Verhältnissen in Myanmar interessiert, aus wirtschaftlichen Gründen. Aber auch, um zu verhindern, dass Unruhen auf die Provinzen im Süden Chinas übergreifen. Bisher war die Militärregierung ein Garant für relative Stabilität, und deswegen hat China das Regime bisher gestützt.

Was müsste passieren, damit sich die demokratischen Kräfte durchsetzen?

Innerhalb des Militärregimes müsste der Weg zum Dialog mit der Opposition gefunden werden. Aber das ist momentan nicht der Fall, da die autoritären Kräfte dem Dialog sämtlichen Freiraum verweigern.

Myanmar hat 54 Millionen Einwohner. Damit leben dort immerhin mehr Menschen als etwa in Spanien, Australien oder Argentinien und fast so viele wie in der alten Bundesrepublik. Warum wissen wir über ein so großes Land derart wenig?

Das hängt mit der Abschottung durch die Militärregierung zusammen. Es dringen zu wenige Informationen nach außen. Umgekehrt können wir von außen auch relativ schlecht nach innen schauen, und wenn, dann sind wir auf Schlüsselinformanten angewiesen oder auf Kontakte zur Regierung. Westliche Medien sind in diesem Land kaum aktiv - fast alles, was wir in diesen Tagen im Fernsehen anschauen können, stammt von Freiheitsaktivisten, die ihre persönlichen Kanäle ins Ausland nutzen.

Interview: Sebastian Christ