Vor dem Bericht der Waffeninspekteure im UNO-Sicherheitsrat sieht Bundesaußenminister Joschka Fischer weiterhin eine Chance auf eine friedliche Lösung der Irak-Krise.
"Die Automatik hin zur militärischen Aktion ist noch zu verhindern", sagte Fischer der "Leipziger Volkszeitung". Die Abrüstung Iraks von Massenvernichtungswaffen müsse mit friedlichen Mitteln zum Erfolg gebracht werden. Der Chef der UNO-Abrüstungskommission UNMOVIC, Hans Blix, und der Direktor der internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Mohamed ELBaradei, legen dem Sicherheitsrat in New York am Montag einen Bericht über ihre bislang achtwöchigen Waffenkontrollen in Irak vor. Der Bericht gilt als entscheidend über das weitere Vorgehen gegenüber Irak, dem die USA den Besitz von Massenvernichtungswaffen vorwerfen.
"Keine Rechtfertigung für Militärschlag"
Ungeachtet des Kriegskurses der USA sowie des Mangels an aktiver Kooperation des Iraks mit den UN wollen Blix und ElBaradai für eine Fortsetzung der Suche nach Massenvernichtungswaffen plädieren. Nach Angaben aus dem Beraterstab von Blix wird der Bericht der Inspekteure bei aller Kritik und Forderungen nach aktiver Zusammenarbeit an die Adresse Bagdads keine Rechtfertigung für einen Militärschlag liefern.
Nur einige Wochen mehr Zeit
Die USA gaben zu erkennen, dass sie die Inspektionen nur noch für einige Wochen zulassen wollen. US-Außenminister Colin Powell erklärte vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos, Washington sei bereit, den Irak auch ohne ausdrückliche Zustimmung der UN anzugreifen. Powell sagte, die USA würden den Bericht genau prüfen und sich mit den anderen Ratsmitgliedern beraten. «Wir wollen nicht überstürzt handeln», versprach er. «Aber die Zeit ist knapp.» Der irakische Staatschef Saddam Hussein «muss die Wahrheit sagen, und er muss sie jetzt sagen».
Die Chefinspekteure machen in ihrem Bericht deutlich, dass Bagdad in den vergangenen Wochen zwar alle Kontrollen zugelassen, aber kaum etwas für die Klärung des Verbleibs von früher bekannt gewordenen illegalen Waffenarsenalen getan habe.
Demonstrationen gegen den Krieg
In Deutschland demonstrierten am Samstag in Köln rund 10.000 Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg. Kleinere Kundgebungen gab es unter anderem vor dem NATO-Stützpunkt für AWACS- Aufklärungsflugzeuge in Geilenkirchen bei Aachen.
Mehr Zeit für Truppenaufmarsch benötigt
Die «Washington Post» zitierte einen US-Regierungsbeamten mit den Worten, mehr Zeit für die Inspektionen bedeute keinen Kurswechsel. Es werde etwas verlängert, «das nie (zeitlich) begrenzt war». Pentagon-Quellen zufolge haben sich die USA auch deshalb zu der Haltung durchgerungen, weil der Aufmarsch am Golf langsamer verlaufe als vorhergesehen. Es habe den Anschein, als könnten die US-Streitkräfte ohnehin erst im März für einen Militärschlag einsatzbereit sein.
Einsatz von Atomwaffen nicht ausgeschlossen
Die US-Regierung schließt auch den Einsatz von Atomwaffen nicht aus, sollte der Irak Massenvernichtungswaffen anwenden. Das bekräftigte der Stabschef des Weißen Hauses, Andrew Card am Sonntag.
Präsident George W. Bush wird seine Landsleute nach Angaben des Weißen Hauses in der kommenden Woche auf einen möglichen Krieg mit dem Irak vorbereiten. Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Dan Bartlett, sagte, der Präsident werde bei seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstag erklären, dass die US-Streitkräfte zu einer Invasion des Iraks bereit stünden.
"Mehr Zeit wofür?
Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, plädierte wie zahlreiche andere führende Politiker dafür, den UN-Waffeninspekteuren mehr Zeit für ihre Arbeit im Irak zu geben. Auch der britische Premierminister Tony Blair sprach sich in der BBC dafür aus, schränkte aber ein: «Ich glaube nicht, dass sie Monate brauchen werden, um herauszufinden, ob er (Saddam Hussein) kooperiert oder nicht.» US-Außenminister Powell äußerte sich jedoch skeptisch. «Mehr Zeit wofür? Was werden wir in zwei oder drei Monaten wissen, angesichts des höchstwahrscheinlich unkooperativen Verhaltens des Irak?» sagte er der «Financial Times».
Irak kündigt Widerstand an
Der Irak kündigte für den Fall eines Angriffs entschiedenen Widerstand an. «Wir werden nicht unsere andere Wange hinhalten. Wir werden erbittert kämpfen», sagte der Vorsitzende der irakischen Nationalversammlung, Saadun Hammadi, am Samstag in Neu Delhi. Er warf den USA vor, ihr eigentliches Ziel sei die Kontrolle über die irakischen Ölfelder. Der irakische Präsident Saddam Hussein beriet am Sonntag mit den Spitzenvertretern seines Regimes über die jüngste Entwicklung. An der Sitzung nahmen der Revolutionäre Kommandorat und die Führung der regierenden Baath-Partei teil.