Die Entscheidung der NATO über militärische Maßnahmen im Falle eines Krieges gegen den Irak ist weiterhin blockiert. Frankreich und Belgien legten kurz vor Fristablauf ihr Veto gegen den Beginn entsprechender Planungen ein. In einer Sitzung des NATO-Rates unterstützte dann auch Deutschland diesen Schritt, ohne selbst formell sein Veto zu erklären. Die Türkei, die von der NATO Schutz vor einem irakischen Angriff wünscht, verlangte daraufhin Konsultationen der Bündnispartner über eine mögliche Bedrohung.
NATO-Generalsekretär George Robertson hatte am Donnerstag einen Katalog von Maßnahmen zum Schutz der Türkei vorgelegt. Dabei geht es unter anderem um den Einsatz der NATO-eigenen Überwachungsflugzeuge vom Typ AWACS und um die von den Niederlanden mit deutscher Unterstützung bereits versprochene Stationierung von Patriot- Raketenabwehrstaffeln an der türkisch-irakischen Grenze. Robertson hatte vorgeschlagen, den Militärs den entsprechenden Planungsauftrag zu geben, sollte bis Montagmorgen kein Mitgliedstaat widersprechen. Dieses Verfahren der stillschweigenden Zustimmung ist in der NATO nicht unüblich. In jedem Fall ist jedoch Einstimmigkeit erforderlich.
Deutschland unterstützt Frankreich und Belgien
Die Botschafter Frankreichs und Belgiens legten, wie Belgiens Außenminister Louis Michel schon am Sonntag angekündigt hatte, rechtzeitig Widerspruch ein. In einer anschließenden Sitzung des NATO-Rates unterstützte auch Deutschland diesen Schritt, an dem es formal allerdings nicht beteiligt war. Seit mehr als drei Wochen blockieren diese drei Länder eine Entscheidung mit der Begründung, die NATO solle keine Beschlüsse in Bezug auf den Irak-Konflikt fassen, noch bevor der UN-Sicherheitsrat eine Entscheidung über das weitere Vorgehen gefällt hat.
Nach der erneuten Blockade im NATO-Rat verlangte die Türkei Konsultationen der Bündnispartner unter Berufung auf Artikel 4 des NATO-Gründungsvertrags. Dieser Artikel verpflichtet die Allianz, auf den Wunsch eines Mitglieds Beratungen über mögliche Bedrohungen der Sicherheit, Unabhängigkeit oder territorialen Unversehrtheit eines NATO-Staates aufzunehmen. Solche Konsultationen, für die es kein festgelegtes Verfahren gibt, begannen bereits am Montag.
Türkei zeigt sich besorgt
Die Türkei ist der einzige NATO-Staat, der unmittelbar an den Irak grenzt. Vom türkischen Gebiet aus sollen im Falle eines Krieges auch große US-Verbände eingesetzt werden. Die Regierung in Ankara hat den USA nach anfänglichem Zögern die Vorbereitungen dafür gestattet. Der türkische Außenminister Yasar Yakis versuchte am Montag den Konflikt in der NATO herunterzuspielen. «Über dieses Thema gibt es im Prinzip keine Meinungsverschiedenheiten. Es gibt kein Veto gegen eine Verteidigung der Türkei», sagte er. Wie sich das Entscheidungsverfahren in der NATO weiter entwickelt, bleibt zunächst völlig unklar. Deutschland, Frankreich, Belgien und anfangs auch Luxemburg hatten bislang eine Befassung mit diesem Thema immer mit Hinweis auf die UN abgelehnt, ohne sich überhaupt inhaltlich zu den unterbreiteten Vorschlägen zu äußern.
Türkei erhält dennoch Patriot-Abwehrraketen
Die Türkei wird trotz der Blockade im NATO-Rat deutsche Patriot- Raketen bekommen. Ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums sagte am Montag, es bleibe dabei, dass die Raketen Ende der Woche auf dem Umweg über die Niederlande geliefert würden.
Glaubwürdigkeitskrise der NATO
"Das ist eine höchst unerfreuliche Entscheidung", sagte auch der US-Botschafter bei der NATO, Nicholas Burns. "Wegen der Aktion (der Drei) sieht sich die NATO jetzt einer Glaubwürdigkeitskrise ausgesetzt." Auch Robertson sagte: "Wir befinden uns in einer schwierigen Situation." Er sei aber zuversichtlich, dass die Bündnispartner verantwortlich handelten. Der Schutz der Türkei im Fall eines Irak-Krieges stehe außer Frage. Seines Wissens nach sei es aber das erste Mal in der 53-jährigen Geschichte der NATO, dass sich ein Mitgliedstaat auf Artikel 4 berufe.