Die israelische Armee hat die Zivilbevölkerung in mehreren Gebieten im Norden des Gazastreifens zur unverzüglichen Evakuierung aufgerufen. "Terroristische Organisationen führen Sabotageaktivitäten in den Gebieten durch, und daher wird die Armee ihre Offensivaktivitäten dort ausweiten, um die Fähigkeiten der terroristischen Organisationen zu zerstören", schrieb ein Militärsprecher auf der Plattform X.
Die Gebiete seien nun "gefährliche Kampfzonen", hieß es weiter. Die Menschen sollen sich nach den Worten des Armeesprechers in Richtung Westen begeben. In dem Post waren das vorgesehene Angriffsgebiet sowie die Gegenden, in die sich die Menschen begeben sollen, mithilfe einer Grafik gekennzeichnet.
Israel führt seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 Krieg im Gazastreifen. Dabei hat die israelische Armee bislang Zehntausende Menschen getötet. Eine Studie der amerikanischen Zeitschrift "Lancet" kam bereits im vergangenen Juli zu dem Schluss, dass wohl mehr als 186.000 Menschen infolge des Kriegs gestorben seien. Vor knapp zwei Wochen startete die israelische Armee eine neue Großoffensive in dem Küstengebiet. Täglich wurden Dutzende Tote gemeldet. Erklärtes Ziel Israels ist es, die Hamas vollends zu zerschlagen sowie die noch immer von Extremisten festgehaltenen Geiseln freizubekommen. Israelische Minister erklärten aber auch, dass sie den Gazastreifen unter israelische Kontrolle bringen und die palästinensischen Bewohner umsiedeln wollen. An Israels Vorgehen gibt es international massive Kritik. Auch im Land selbst wächst der Unmut. So bezeichnete der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Olmert es als Kriegsverbrechen, die Zivilbevölkerung vorsätzlich auszuhungern. Oppositionsführer Yair Golan erklärte im Radio: „Ein vernünftiges Land führt keinen Krieg gegen Zivilisten, tötet keine Babys als Hobby und hat nicht das Ziel, eine Bevölkerung zu vertreiben.“
Krankenhaus offenbar evakuiert
Ein Krankenhaus im Norden des Gazastreifens warf der israelischen Armee unterdessen vor, es einer "Zwangsevakuierung" zu unterziehen. Patienten und medizinisches Personal müssten das Al-Awda-Krankenhaus verlassen, es handle sich um die einzige noch im Betrieb befindliche Klinik im Norden des Palästinensergebiets, erklärte die Einrichtung am Donnerstag. Die israelische Armee äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Angaben.
Nach Angaben des Al-Awda-Krankenhauses befanden sich noch 13 Patienten und 84 medizinische Mitarbeiter in der Klinik. Das von der islamistischen Hamas geleitete Gesundheitsministerium des Gazastreifens erklärte, das Krankenhaus sei durch die Evakuierung "faktisch außer Betrieb gezwungen" worden.
Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) sprach ebenfalls von einer derzeit laufenden Evakuierung von Patienten und medizinischem Personal, die Einrichtung sei "überlastet" und leide unter einem "kritischen Materialmangel". Das Krankenhaus sei durch Kampfhandlungen beschädigt, der Zugang zu ihm unterbrochen, behandlungsbedürftige Menschen seien abgeschreckt worden.
Weißes Haus: Israel stimmt Waffenruhe in Gaza zu
Zuvor hatte Israel nach Angaben des Weißen Hauses einem neuen US-Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen zugestimmt. Die Sprecherin von Präsident Donald Trump, Karoline Leavitt, sagte am Donnerstag, Israel habe den Plan "befürwortet und unterstützt". Die Gespräche mit der radikalislamischen Hamas dauerten dagegen noch an. Die Hamas bestätigte, dass sie den US-Vorschlag prüfe, äußerte sich aber eher skeptisch.
Was genau der neue Plan vorsieht, sagte Leavitt nicht. Nach ihren Angaben leiteten Trump und sein Sonderbeauftragter Steve Witkoff den Vorschlag nach dem grünen Licht aus Israel an die Hamas weiter. Aus Israel gab es dazu vorerst keine Angaben.
Ein hochrangiger Hamas-Vertreter sagte am Donnerstag, der Plan bleibe hinter den Forderungen der Palästinenser zurück. Zwar prüfe die Hamas den Vorschlag weiterhin, sagte Bassem Naim von Politbüro der radikalislamischen Organisation. Die Antwort von Israel bedeute aber "die Fortsetzung des Tötens und Hungerns".
Zuletzt hatte es keine Fortschritte mehr bei den Gesprächen über eine Waffenruhe im Gazakrieg gegeben. Israel hatte eine im Januar vereinbarte Feuerpause einseitig aufgekündigt und seine Angriffe ab März wieder verstärkt und zudem wochenlang Hilfslieferungen in das Gebiet blockiert. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal, internationale Hilfsorganisationen und die UNO warnen vor einer Hungersnot. Bereits am 13. Mai berichtete die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass 57 Kinder in Gaza an Mangelernährung gestorben seien.
Zugleich werden immer noch israelische Geiseln von der Hamas und ihren militanten Verbündeten im Gazastreifen festgehalten. Von den 251 verschleppten Geiseln werden noch 57 im Gazastreifen vermutet, 34 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee bereits tot. Ausgelöst wurde der Gazakrieg durch den Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023.