Schön dieses Bild. Wie der Mann vor dem Bücherregal saß. Schmales Gesicht, kahler Schädel, eindringlicher Blick, als wäre Bruce Willis in der Politik gelandet - und nicht der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in die Sonntagabend-Talkshow von Günther Jauch zugeschaltet worden. Der neue Polit-Popstar aus Athen legte einen eindringlichen Auftritt hin. Die Studiogäste, wie Bayerns Finanzminister Markus Söder und die Journalisten Ulrike Herrmann und Ernst Elitz kamen kaum zu Wort, dafür redete der ehemalige Wirtschaftsprofessor umso mehr.
Und wie er redete. Beleidigungen? Zumutungen? Scharfe Töne? Von wegen. Varoufakis packte seine Worte in Watte. "Wir tun unser Bestes, damit die Gläubiger ihr Geld zurückbekommen." Oder: "Unsere Botschaft ist, dass wir jeden Euro zurückzahlen." Oder: "Wir haben im Wahlkampf nicht Falsches versprochen." Die neue Regierung wolle nicht alles rückgängig machen, sondern plane nur ein "Minimalprogramm".
Der Stinkefinger
Dass der Regierung im März vielleicht das Geld ausgeht und sie dann Lehrer, Beamte und Rentner nicht mehr bezahlen kann? Ach was. Es gebe nur ein "kleines unbedeutendes Liquiditätsproblem", sagte Varoufakis. Das werde man lösen. Es gehe doch darum, dass "die Euro-Zone am Leben bleibt". Varoufakis hatte seinen großen Auftritt, und er genoss ihn.
Nur kurz strauchelte er, als Günther Jauch ihm einen Film (hier ab Minute 1:46) aus der Vergangenheit vorspielte, in dem es um die Eurokrise ging, und Varoufakis den Mittelfinger in Richtung Deutschland zeigte. Er behauptet, die Szene sei gefälscht, der zuständige Kameramann widerspricht via Twitter, und Jauch will aufklären. Das bleibt nach einer Stunde Jauch. Der Stinkefinger. Wir sind in einer schwierigsten Phase der europäischen Einigung. Es besteht die reale Gefahr, dass die Eurozone auseinanderbricht, dass Vermögen zerstört und Arbeitsplätze vernichtet werden, und wir diskutieren über den Stinkefinger. Hat ihn Varoufakis gezeigt oder nicht? Toll.
Das Defizit
Es wäre gut gewesen, irgendeine Ahnung von einer Lösung zu bekommen. Oder wenigstens einige Antworten auf Fragen: Wie geht es weiter mit Griechenland? Woher nimmt die Regierung das Geld, um Löhne und Renten zu zahlen? Wie viel Geld hat sie überhaupt? Warum befreien sich Iren, Portugiesen und Spanier langsam aus der Krise, aber nicht die Griechen? Wie macht die griechische Regierung die Wirtschaft flott? Wie holt sie ausländische Investoren ins Land? Und wie erspart sie heimischen Investoren die Bürokratie? Über all das hätte man in der Sendung reden können, aber es wurde geschwiegen.
In Brüssel sagen einflussreiche Beamte, dass für Athens neues Kabinett, Regieren darin besteht, Interviews zu geben. Dass Regieren harte Arbeit ist, dass man Konzepte, Pläne und Ideen braucht, und diese umsetzen muss, haben sie nicht begriffen. Immer noch nicht. Bei Jauch hat Varoufakis bewiesen, dass er reden kann. Jetzt sollte er beweisen, dass er regieren kann. Endlich.
Immer diese Griechen. Seit sieben Jahren beschäftigt die Krise dieses Landes, Deutschland, Europa und die Welt. Es wäre mal Zeit für eine Lösung. Andreas Hoffmann twittert unter AndreasHoffman8.