Natürlich, er hat schon viele Interviews gegeben, vielleicht sogar zu viele. Aber ein kleiner Coup war es schon: Gianis Varoufakis, der griechische Finanzminister, live bei Günther Jauch, erstmals im deutschen Fernsehen. Und der Zeitpunkt dafür war günstig, der Redebedarf selten so groß wie jetzt. Neuesten Umfragen zufolge sind nur noch 40 Prozent der Deutschen dafür, dass Griechenland überhaupt Teil der Euro-Zone bleiben sollte. Der gute Wille vieler Deutscher sei aufgebraucht, sagen konservative Politiker nun, was auch immer das heißen mag - die verbalen Ausfälle nehmen zu, gerne ungetrübt von Sachkenntnis.
Und was macht Varoufakis, der gerne als "Provokateur" verkauft wird? Er gibt den mustergültigen Europäer. Er sagt lauter Sätze, die deutsche Politiker aller Parteien gerne sagen, vor allem sonntags, wenn es um die EU geht. Vom "gemeinsamen Haus" ist dann die Rede, von den "Vereinigten Staaten von Europa" gar, von der "Front der Konfrontation", die man überwinden müsse, davon, dass Europa "unzertrennlich" sein sollte. Und so weiter.
"Sorgen um unsere Finanzen sind willkommen"
Wie lange das Geld noch reicht, wird Varoufakis gleich zu Beginn gefragt, natürlich, unvermeidlich. "Die Sorgen um unsere Finanzen sind uns willkommen", sagt er dann und dass seine Regierung sich bemühe, dass alle Gläubiger ihr Geld bekämen, aber eben auch alle Rentner in Griechenland.
Und dann fällt er doch kurz aus seiner Rolle an diesem Abend, spricht von "unbedeutenden Liquiditätsproblemen". Doch Jauch lässt es ihm irgendwie doch durchgehen, sogar der bayerische CSU-Finanzminister Markus Söder, nie um einen markigen anti-griechischen Spruch verlegen, gibt sich vergleichsweise milde.
Statt dessen glänzt Ernst Elitz, Gründungsintendant des Deutschlandradios und Bild-Kolumnist durch verbale Aggression und faselt von Geld aus Deutschland, das in "schwarze Löcher" geflossen sei.
Zurück an die Banken in Deutschland und Frankreich ist es geflossen, sagt Ulrike Hermann, die Wirtschaftskorrespondentin der "Taz": "In Griechenland ist nur wenig Geld angekommen". Nicht "die Deutschen" zahlen für Griechenland, sagt Hermann - "sie zahlen für deutsche Banken, die in Griechenland Geld verloren haben".
Diese Sätze wollen die Deutschen hören
Und was ist mit den Altschulden, rund 320 Milliarden Euro? "Die sind weg", sagt Hermann, da müsse man sich keinen Illusionen hingeben. Varoufakis sagt so einen Satz natürlich nicht. Statt dessen beteuert er immer wieder, das man alles unternehmen werde, um die Schulden zurückzuzahlen. Das sind die Sätze, die man hierzulande jetzt von ihm hören will.
Böse Worte gegen Wolfgang Schäuble, seinen deutschen Amtskollegen von der CDU? Keineswegs! Lobreden auf Schäuble hält der Wirtschaftswissenschaftler aus Athen. Und auch die Debatte um einen "Grexit" wischt er mit einer Frage von Tisch: "Wer will denn eine Fragmentierung der EU?" Da schweigt selbst Herr Söder. Griechenland müsse jetzt liefern, wird er später sagen, dann dürfe es auch weiter in der EU mitmachen.
Aber natürlich verspricht Varoufakis, zu liefern. Er verspricht, die griechische Regierung "aus den Krallen der Oligarchen" zu befreien, er sagt reichen Steuerschuldnern den Kampf an - "mit der Hilfe unserer Partner" - er distanziert sich von Äußerungen seines Koalitionspartners, er gibt sich schließlich sogar in der Frage der umstrittenen Reparationszahlungen versöhnlich.
"Da geht es nicht um Geld, da geht es um eine moralische Frage", sagt Varoufakis, mit Blick auf finanzielle Wiedergutmachung für Gräueltaten der Nazis in Griechenland. Keine Forderungen, nichts. Nur der Wunsch, dass das Thema bald vom Tisch käme. Und noch ein letzter pathetischer Satz über zwei stolze Nationen, zwischen denen kein böses Blut mehr fließen dürfe.
Nur war da noch die Sache mit dem Mittelfinger, den die Redaktion genüsslich als Youtube-Video in die Sendung schnitt. Die Szene zeigte den Griechen bei einem Auftritt vor fünf Jahren in Zagreb. Und wie er den Stinkefinger hochhält. Eine Fälschung, so Varoufakis in seiner unnachahmlichen Selbstzufriedenheit. So etwas würde er nie machen. Zweifel in der Runde. Warum der Finanzminister Verschwörungstheorien postuliert, statt einfach zu sagen, dass er diese Geste anders gemeint war, als sie hier dargestellt wurde, wird sein Geheimnis bleiben.