Kommentar John McCain muss Hardliner spielen

  • von Katja Gloger
Nach seinem Sieg in South Carolina muss sich John McCain als wahrer Konservativer präsentieren. Der Republikaner, der vielen Parteifreunden als ewig rebellischer Außenseiter gilt, muss klar machen, dass er die zersplitterte Partei einigen, und so Präsident werden kann.

"Nach meiner Niederlage vor acht Jahren schlief ich wie ein Baby", sagte John McCain vor wenigen Tagen auf einer Wahlveranstaltung und lächelte verschmitzt. "Ich schlief zwei Stunden, dann wachte ich auf und heulte, dann schlief ich weitere zwei Stunden und wachte auf und heulte..."

In diesen Tagen in South Carolina schien seine bittere Niederlage gegen George W. Bush vor acht Jahren nur noch eine ferne Erinnerung, allenfalls einen charmanten, selbstironischen Scherz wert. Denn endlich, endlich hat John McCain hier in South Carolina gewonnen. Eine echte, eine verdiente Genugtuung.

Revanche nach acht Jahren

Strahlend, ganz gelöst trat er gestern Abend gegen 22 Uhr vor die Kameras, der Sieger als letzter, wie es die Tradition dieser Vorwahlen will. "Es dauerte eine Weile, aber was sind schon acht Jahre unter Freunden", scherzte er über seinen lang ersehnten Sieg, seine präsentable Gattin Cindy im lila Designerkostüm und vielreihiger Perlenkette neben sich, und dazu seine Mutter Roberta, 95, mit frech toupiertem grauen Haar. Er sah gut aus, jugendlich erneuert, er sprach aus seiner Seele, und er wählte die richtigen Worte: Ehre. Ehrlichkeit. Patriotismus. Seinem Land dienen, Opfer bringen. Nationale Sicherheit. Erfahrung. Und: Ronald Reagan, der Mann, der den Republikanern mit seiner "Reagan-Koalition" einst den Sieg brachte.

Gestern Abend sprach nicht mehr John McCain, der ewige Außenseiter, der ebenso mächtige wie starrköpfige US-Senator, der mit seinen pragmatischen Vorschlägen geradezu lustvoll immer wieder seine eigene Partei brüskiert hatte. Jetzt sprach einer, der diese chaotisch zersplitterte Partei als Kandidat hinter sich einigen will. "Ich bin bereit. Ich möchte diesem Land noch eine Weile länger dienen. Es war immer mein höchster Wert sagen zu können: Ich bin stolz darauf, ein Amerikaner zu sein." Das ist sein Rezept: Substanz, Erfahrung, Integrität.

Ganz bewusst hatte er sich die Unterstützung der republikanischen Granden im Bundesstaat gesichert. Ein Kandidat der republikanischen Mehrheit - und nicht mehr der Underdog, der nur dank Stimmern von Wechselwählern gewinnt, der so genannten Unabhängigen. Was für die Wahl im November ein unschätzbarer Vorteil sein kann, bleibt während der Vorwahlen sein größtes Risiko: immer noch misstraut das Establishment der republikanischen Partei diesem angeblich so unberechenbaren John McCain.

Grandioses Comeback hingelegt

Er hat es geschafft - der Held des Vietnamkrieges, mit seinen 71 Jahren - ein grandioses Comeback gegen alle Wahrscheinlichkeiten. Allein dies ist schon ist eine faszinierende Story, eine, wie sie wohl nur Amerika schreiben kann. Noch vor wenigen Monaten politisch totgesagt, war John McCain faktisch pleite, engste Mitarbeiter verließen ihn im Streit. Er beharrte auf seiner Unterstützung des Irak-Krieges, er setzte sich für ein moderates Einwanderer-Gesetz und eine faktische Amnestie für Millionen illegaler Einwanderer ein. Doch dann setzte er sich in seinen dunkelblauen Bus, den Straight Talk Express, und tourte durch New Hampshire, den kleinen Staat an der Ostküste, wochenlang, monatelang, während Rudolph Giuliani sich schon als Spitzenkandidat feiern ließ. Dann gewann John McCain in New Hampshire, er lieferte die Schlagzeilen, und dann wollten ihn auf einmal so viele Journalisten auf seiner Comeback-Tour begleiten, dass ein zweiter Bus angemietet wurde, knallrot, "the McCain train", der McCain Zug.

Und hier in South Carolina, dem Ort seiner bittersten, seiner persönlichsten Niederlage, hat er es sich selbst bewiesen, voller Energie und Entschlossenheit, stets hellwach und gelassen auch noch im größten Gedrängel, ein wahrer Profi.

Vor allem aber hat dieser John McCain seiner Partei, mit der er so oft im Streit lag, hier in South Carolina einen Dienst erwiesen. Denn die Republikaner tragen schwer am Erbe der Ära Bush - der Krieg, die Unfähigkeit seiner Regierung, die Skandale, die Korruption im mehrheitlich republikanischen Kongress. "Die Republikaner suchen nach ihrer Seele", sagt Peggy Noonan, die ehemalige Redenschreiberin von Präsident Ronald Reagan. Kein Kandidat hat sich bislang als wahrer Konservativer präsentieren können. Davon hat bislang vor allem Mike Huckabee profitiert.

McCain verfolgt bin Laden bis an die "Tore der Hölle"

South Carolina, wo weiße Evangelikale rund die Hälfte der republikanischen Wähler ausmachen, sollte ein Heimspiel für ihn werden. Huckabee hoffte, dass South Carolina sein "break out state" werden könnte - der erste Staat im "Bibelgürtel" des amerikanischen Südens, der ihm die Plattform liefern könnte, sich auch national als ernsthafter Kandidat zu präsentieren. Huckabee inszenierte sich als christlicher Führer, charakterisierte Abtreibung und Homosexualität faktisch als Todsünde. In seinem Namen - wenn auch nicht mit seiner Unterstützung - wurden Millionen automatisierter Telefonanrufe getätigt, so genannte "Robo-Calls", die John McCain als geschiedenen Alkoholiker denunzierten. Doch McCain konnte mit seiner Botschaft der Erfahrung und der nationalen Sicherheit ( "Ich werde Osama bin Laden bis an die Tore der Hölle verfolgen.") punkten. Mike Huckabee versprach, seine Pilgerreise zum Weißen Haus fortzusetzen. Er rechnet sich Chancen im stramm konservativen Norden des Bundesstaates Florida aus.

Doch von nun an ist John McCain einer der Spitzenkandidaten im Rennen um die Kandidatur. Jetzt geht es um Florida, den nächsten großen Preis. Und dafür braucht McCain jetzt vor allem Wahlspenden in Millionenhöhe. Denn in Florida treten am 29. Januar zum ersten Mal alle vier Kandidaten gegeneinander an. Mitt Romney etwa, der gestern nach seinem Heimatstaat Michigan auch den Bundesstaat Nevada für sich gewann. Der Mormone hatte sich erst gar nach South Carolina gewagt - und eiskalt kalkuliert: ein Sieg in Nevada bringt zehn Delegierte mehr für den Wahlparteitag als ein Sieg in South Carolina. Und in Florida wartet Rudolph Giuliani, der bislang in keinem Bundesstaat Wahlkampf geführt hat. Sein Kalkül: sein - erster - Sieg in Florida werde ihn als Spitzenkandidat in den "Monster-Dienstag", den entscheidenden 5. Februar katapultieren.

John McCain gab sich gelassen: in den vergangenen 20 Jahren, sagte er, sei nur derjenige Republikaner Präsidentschaftskandidat worden, der zuvor auch in South Carolina gewonnen habe.

Zumindest gestern Nacht wird John McCain gut geschlafen haben.