Kritik an Deutschlands Terrorismus-Bekämpfung Friedrich weist Erdogans Vorwürfe zurück

Türkeis Premier Erdogan zweifelt an Deutschlands Vorgehen gegen extremistische Gruppen. Doch Bundesinnenminister Friedrich lässt sich den schwarzen Peter nicht einfach zuschieben und reagiert prompt.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die türkische Kritik an der angeblich mangelhaften Bekämpfung extremistischer Gruppen in Deutschland als unberechtigt zurückgewiesen. Die deutsch-türkische Zusammenarbeit sei sehr eng, sagte Friedrich in Istanbul. "Es ist sehr bedauerlich, dass dies in der türkischen Öffentlichkeit nicht so dargestellt wird". Zu Vorwürfen des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan über deutsche Defizite in dem Bereich sagte Friedrich: "Es ist immer leichter, die Schuld bei Anderen zu suchen."

Friedrich wollte in Ankara ausführlich mit seinem neuen türkischen Kollegen Muammer Güler über eine engere Sicherheits-Kooperation sprechen. Gleich nach der Weiterreise des Ministers von Istanbul nach Ankara waren noch Gespräche mit dem für die Auslandstürken zuständigen Vize-Regierungschef Bekir Bozdag sowie mit Vize-Regierungschef Besir Atalay geplant, der in der türkischen Regierung die Terrorbekämpfung und die Kurdenpolitik koordiniert. Zum Auftakt seines Besuches am Dienstag hatte Friedrich in Istanbul mit Vertretern der christlichen Minderheiten in der Türkei gesprochen.

Unstimmigkeiten auch bei der Visapolitik

Erdogan hatte mit Blick auf türkische Linksextremisten und Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gesagt, in Deutschland und auch in Frankreich genössen radikale Gruppen einen großen Handlungsspielraum. Friedrich unterstrich, Deutschland unternehme alles, um die auch in der Bundesrepublik als Terrorgruppe eingestufte PKK zu bekämpfen. "Wir können allerdings nicht wahllos Leute einsperren", fügte er hinzu.

Zu dem Linksextremisten Alisan Sanli, der sich vergangene Woche in der US-Botschaft in Ankara in die Luft sprengte und vorher mehrere Jahre in Deutschland lebte, sagte Friedrich, die türkischen Behörden seien spätestens Mitte Januar darüber informiert worden, dass Sanli untergetaucht sei. Sanli sei im Visier der deutschen Behörden gewesen, aber nicht festgenommen worden, weil man eine ganze Gruppe beobachtet habe, die man durch eine Einzelfestnahme nicht habe warnen wollen. Es habe aber keine Hinweise darauf gegeben, dass Sanli "konkrete Anschlagspläne" hegte.

Neben den türkisch-deutschen Differenzen in der Terrorbekämpfung gehören auch Meinungsverschiedenheiten in der Visapolitik zu den Themen des ersten Türkei-Besuches von Friedrich als Bundesinnenminister. Der CSU-Politiker lehnte erneut die türkische Forderung nach einer Abschaffung des Visumszwangs ab.

"Durchgangsland für alles Mögliche"

Die Türkei sei ein "Durchgangsland für alles Mögliche", sagte Friedrich. Nach wie vor kämen viele Asylbewerber aus der Türkei und aus Drittländern nach Deutschland. Auf die Kritik an den strikten Visa-Regeln habe die Bundesregierung mit diversen Erleichterungen reagiert, unter anderem mit Mehrjahres-Visa für Geschäftsleute. Türkische Unternehmer hätten nun "keinen Grund mehr, sich zu beklagen".

In Ankara will Friedrich nach eigenen Worten auch den Fall des mutmaßlichen Gewalttäters Onur U. ansprechen, der nach der tödlichen Prügelattacke am Berliner Alexanderplatz gegen Jonny K. im vergangenen Jahr in der Türkei untergetaucht war. Offenbar werde hier ein Verdächtiger nicht von der Türkei ausgeliefert, sagte Friedrich. Er selbst könne auch nicht mit Sicherheit sagen, ob U. nun deutscher oder türkischer Staatsbürger sei oder ob er beide Pässe besitze. Der Fall belege aus seiner Sicht, dass die doppelte Staatsbürgerschaft prinzipiell abzulehnen sei.

AFP
cob/AFP