Die libanesische Hisbollah-Miliz feuert ihre Raketen immer tiefer ins israelische Kernland. Mindestens zwei Raketen seien bei Hadera, südlich der Küstenstadt Haifa, eingeschlagen, teilte die israelische Polizei am Freitag mit. Es gab nach ersten Berichten keine Verletzten. Hadera liegt mehr als 70 Kilometer von der libanesischen Grenze entfernt und ist der bisher südlichste Ort, den die Hisbollah angegriffen hat. Der Chef der Hisbollah, Hassan Nasrallah, hatte angedroht, auch Tel Aviv könne zum Ziel werden, wenn Israel Luftangriffe auf die Innenstadt Beiruts fliege. Die Hisbollah gab an, einen israelischen Luftwaffenstützpunkt nördlich von Tel Aviv beschossen zu haben.
Im Libanon droht nach mehr als drei Wochen Krieg ein humanitäres Desaster. Die israelische Luftwaffe bombardierte am Freitag vier Brücken im Norden von Beirut und zerstörte damit die letzten Straßenverbindungen und Fluchtwege nach Syrien. Das Flüchtlingshilfswerkes UNHCR sprach von der Unterbrechung einer "humanitären Lebensader". Die Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsgütern werde erheblich erschwert. Die Zahl der Toten auf beiden Seiten steigt weiter. Allein bei einem israelischen Luftangriff im Ostlibanon nahe der syrischen Grenze wurden am Freitag mindestens 25 Landarbeiter getötet, nach Angaben der libanesischen Polizei meist Gastarbeiter aus Syrien.
Mit der Bombardierung der Brücken im Norden von Beirut hat Israel die libanesische Hauptstadt praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Zwar gibt es noch Nebenstraßen über das Schuf-Gebirge in den Süden des Landes, doch führen von dort keine Wege zur syrischen Grenze. Die libanesische Küste wird wiederum von israelischen Kriegsschiffen blockiert. Die Europäische Union äußerte sich "besorgt" über künftige Hilfslieferungen. "Wir werden unsere Besorgnis in geeigneter Form deutlich machen", sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel.
Krankenhäusern droht Schließung
Nach Angaben von Hilfsorganisationen wird die Lage der Zivilbevölkerung immer verzweifelter. Unicef rief dringend zu Spenden für die Kinder im Libanon auf: 400.000 der 900.000 Flüchtlinge seien Kinder, mehr als 270 Kinder seien bereits im Krieg getötet worden. "Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und Zugang zu den Betroffenen der humanitären Katastrophe, vor allem Frauen und Kinder müssen geschützt werden", sagte Care-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Jamann. Vielen Krankenhäusern im Libanon droht zudem wegen der immer knapper werdenden Treibstoffbestände die Schließung.
Viele tote Zivilisten
Bei neuen israelischen Luftangriffen auf Ziele in den schiitischen südlichen Vorstädten von Beirut starben am Freitag mindestens fünf Menschen. Bei der Bombardierung eines Hauses im südlibanesischen Taibeh wurden nach Angaben der Polizei sieben Zivilisten getötet. Im Südlibanon, wo Israel eine Sicherheitszone errichten will, gingen am 24. Tag des Krieges die Gefechte ebenfalls unvermindert weiter. Die radikal-islamische Hisbollah-Miliz feuerte rund 120 Raketen auf israelisches Gebiet. Dabei wurden zwei Menschen getötet, als Geschosse bei Kirjat Schmona und in einer anderen Ortschaft einschlugen. Bei Gefechten im südlichen Grenzgebiet des Libanons töteten Hisbollah-Kämpfer zwei israelische Soldaten.
Eine israelische Militärsprecherin sprach von "intensiven und sporadischen" Gefechten im Umfeld von rund 20 Dörfern im Südlibanon, wo Israel die Hisbollah aus einem mehrere Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze verdrängen will. Dabei zerstörten die israelischen Einheiten "die Infrastruktur der Hisbollah", sagte die Sprecherin, darunter Bunker und mobile Raketenstellungen. Angaben der Hisbollah-Miliz, wonach sechs israelische Soldaten getötet worden sein sollen, wurden von israelischer Seite nicht kommentiert.
Warten auf eine Resolution
International geht das Ringen um ein Ende des Blutvergießens weiter. Die Chancen, eine Libanon-Resolution entsprechend der wiederholten Ankündigung Washingtons noch in dieser Woche zu verabschieden, wurden in diplomatischen Kreisen allerdings als gering eingeschätzt. Frankreich und die USA wollten dazu am Freitag Gespräche am UN-Hauptsitz in New York fortsetzen.
Auch bei einem Telefongespräch von US-Präsident George W. Bush mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ging es am Donnerstagabend vor allem um die Bemühungen im UN-Sicherheitsrat für eine Libanon-Resolution. Der britische Premier Tony Blair verschob seine Abreise in den Urlaub. Er wolle sich persönlich um das Zustandekommen einer Resolution des Weltsicherheitsrates kümmern, teilte eine Regierungssprecherin mit. Die nächsten Tage seien vermutlich "entscheidend".
Zurückhaltung nach Olmert-Vorschlag
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert stieß mit seinem Wunsch nach Bundeswehrsoldaten für eine internationale Libanon-Schutztruppe auf Zurückhaltung in Deutschland. Die Bundesregierung hält an ihrer bisherigen Linie fest, dass zunächst Klarheit über ein Mandat geschaffen werden muss. Vertreter aller Parteien verwiesen auf begrenzte Ressourcen der Bundeswehr. Olmert hatte der "Süddeutschen Zeitung" gesagt, er wünsche sich auch eine Beteiligung deutscher Soldaten bei einer internationalen Truppe.
In Bagdad, Teheran, Jakarta und anderen Städten der islamischen Welt verbrannten Demonstranten israelische und amerikanische Flaggen. Allein in der irakischen Hauptstadt gingen Hunderttausende Anhänger des radikalen schiitischen Predigers Muktada al-Sadr für die schiitische Hisbollah auf die Straße. Sie schwenkten Hisbollah-Fahnen und Bilder des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah und Al-Sadrs und skandierten: "Tod Israel! Tod Amerika!" In Kairo protestierten rund 5000 Ägypter in der Al-Azhar-Moschee gegen die israelischen Angriffe. Redner kritisierten das "Schweigen" der Führer der pro-westlichen arabischen Staaten.