Am 1. September 1969 beginnt eine neue Zeitrechnung in Libyen: Nach einem Putsch gegen König Idris übernimmt der "Bund freier Offiziere" die Macht im Land. Führer der Militärjunta ist Muammar al-Gaddafi, ein 28-jähriger Soldat.
Nach dem Umsturz ernennt sich Gaddafi selbst zum Oberst und wird offiziell Staatspräsdent des "Volksmassenstaates" Libyen. Er bekennt sich zum Sozialismus und ist auch in den "Bruderstaaten" wie der DDR ein gern gesehener Gast.
Wie auch Husni Mubarak in Ägypten regiert Gaddafi sein Land mit harter Hand. Eine Opposition ist nicht erwünscht, Rede- und Meinungsfreiheit fallen einem unerbittlichen Polizeiapparat zum Opfer
Auch außenpolitisch macht sich Gaddafi schnell Feinde: Kurz nach seiner Machtergreifung lässt er einen Konflikt mit dem Nachbarland Tschad eskalieren. Erst 1987 - nach 14 Jahren - wird ein Friedensvertrag vereinbart, doch erst sieben Jahre später zieht der Revolutionsführer seine Truppen ab.
Doch Libyen ist Gaddafi nicht genug: Jahrelang versucht der Herrscher, die arabischen Staaten zu einer einzigen Nation zu vereinen - sehr zur Freude von PLO-Chef Jassir Arafat. Wie so viele arabischen Führer hasst der Sohn einer Beduinenfamilie Israel und solidarisiert sich mit den Palästinensern. Um die Pläne eines eigenen Staates zu forcieren, schickt Gaddafi palästinenische Flüchtlinge zurück in ihre Heimat. Später sieht sich Gaddafi gar als Herrscher ganz Afrikas und sonnt sich im Glanz des Freiheitskämpfers und damaligen Präsidenten Südafrikas, Nelson Mandela.
Das Verhältnis zum Westen leidet in den ersten Jahrzehnten seiner Herrschaft stark. Gaddafi unterstützt antiisraelische und antiamerikanische Terrorgruppen, bis 2006 wird Libyen von der USA zu den "Schurkenstaaten" gezählt.
Doch sein Image als böser Bube und Terrorpate missfällt dem Revolutionsführer irgendwann. So bekennt er sich zum Anschlag auf eine PanAm-Maschine, die über Lockerbie abgestürzt war, vermittelt bei Geiselnahmen und gibt bekannt, künftig keine Massenvernichtungswaffen mehr entwickeln zu wollen - doch richtig glaubwürdig wird das "maghrebinische Irrlicht" nie. 2009 etwa fordert er ernsthaft, die Schweiz aufzulösen. Als der Oberst 2009 das erste Mal vor der UN-Vollversammlung sprechen darf, endet die Rede in einem Eklat: Bei seinem Auftritt beschimpft Gaddafi den Sicherheitsrat der Staatengemeinschaft. Er bezeichnet ihn als "Terror-Rat" und zerreißt die Uno-Charta - viele Delegierte verlassen aus Protest den Saal
Zumindest mit Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi macht Gaddafi allerdings seinen Frieden. Italien war einst Kolonialmacht in Libyen. In Rom wird der Libyer 2010 gar wie ein Popstar empfangen. Die beiden Länder schließen einen Freundschaftsvertrag ab.
Blut hat Gaddafi dennoch genug an den Händen - sein Polizeistaat bleibt nicht nur in der arabischen Welt gefürchtet. im Angesicht der aktuellen Protestwelle, die aus Ägypten und Tunesien auf Libyen übergeschwappt ist, hat Gaddafi sein freundliches Gesicht nun wieder abgelegt und macht das, was er am besten kann: mit aller Härte gegen die Opposition vorgehen