"Zeit ist jetzt gekommen" Schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon kündigt Rücktritt an

Nicola Sturgeon, Erste Ministerin Schottlands
Nicola Sturgeon, will nach fast zehn Jahren als schottische Regierungschefin zurücktreten
© Andrew Milligan / PA Wire / DPA
Nicola Sturgeon ist die am längsten amtierende Regierungschefin Schottlands. Inmitten hitziger Gender-Debatten und dem Ringen um die schottische Unabhängigkeit wirft sie jetzt hin.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hat überraschend ihren Rücktritt angekündigt. "Ich kündige meine Absicht an, als Regierungschefin und Chefin meiner Partei zurückzutreten", sagte die 52-Jährige am Mittwoch in Edinburgh. Auch wenn diese Entscheidung für viele überraschend und für manche zu früh komme, wisse sie "mit meinem Herzen und meinem Verstand, dass dies der richtige Zeitpunkt" sei. Sie wolle als "First Minister" und Chefin der Schottischen Nationalpartei (SNP) im Amt bleiben, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden sei. Die Anführerin der Schottischen Nationalpartei (SNP) steht seit mehr als acht Jahren an der Spitze der Regierung in Edinburgh und setzte sich stets vehement für die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich ein.

Im Ringen um eine Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich musste Sturgeon zuletzt mehrere Dämpfer hinnehmen: London blockiert eine von ihr angestrebte erneute Abstimmung über die Frage, ob Schottland weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll oder nicht. Zudem verloren die Unabhängigkeitsbefürworter vor dem höchsten britischen Gericht. Der Supreme Court hatte geurteilt, dass das schottische Regionalparlament kein Recht hat, ohne Zustimmung der britischen Regierung eine Volksabstimmung anzusetzen. Sturgeon sagte, sie sei enttäuscht von der Entscheidung, akzeptiere sie aber. Unabhängigkeit müsse auf legalem und demokratischem Wege erreicht werden.

Gender-Debatte belastet schottische Regierung

Zudem belastete zuletzt der Streit um ein kontroverses Gender-Gesetz die schottische Regierung. Mit dem Gesetz, für das das schottische Parlament im vergangenen Jahr gestimmt hatte, soll unter anderem die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das Mindestalter für einen Antrag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Als Transmenschen werden Personen bezeichnet, die sich dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig fühlen.

Daran gab es viel Kritik, zu den prominentesten Kritikerinnen gehört die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling. Sie und ihre Mitstreiter befürchten, dass Männer die vereinfachten Regelungen ausnützen könnten, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, wie zum Beispiel Damenumkleiden oder -toiletten. Unterstützer sehen in dem Gesetz hingegen eine längst überfällige Reform, die Transmenschen das Leben erleichtern und ihnen ermöglichen könne, selbstbestimmt zu leben.

Sturgeon äußert sich zu umstrittenen Gesetz

Mit Blick auf die Kontroverse um das umstrittenes Gesetz sagte Sturgeon nun, ihre Entscheidung sei keine Reaktion auf Druck und schwierige Situationen in der Vergangenheit. Stattdessen merke sie mittlerweile, welchen körperlichen und psychischen Einfluss die großen Belastungen der Corona-Pandemie für sie als Regierungschefin hinterlassen haben. Die Fragen, ob der Job das Richtige für sie sei und ob sie die Richtige für ihre Partei, ihr Land und den Kampf für die schottische Unabhängigkeit sei, sei immer schwieriger mit "Ja" zu beantworten gewesen. "Ich bin zu der schwierigen Entscheidung gekommen, dass es nicht mehr so ist", sagte Sturgeon. Sie wolle ihrer Partei daher die Freiheit geben, sich für eine neuen Führung zu entscheiden.

Sturgeon war seit 2014 im Amt. Sie ist damit die am längsten amtierende schottische Regierungschefin. Sie folgte auf ihren damaligen Parteikollegen Alex Salmond, der mittlerweile eine neue Partei gegründet hat.

DPA · AFP
cl / mth