Ohne Geld kein Handelspakt Ukraine will 20 Milliarden Euro von der EU

Seit Tagen demonstriert die Opposition in der Ukraine für eine Annäherung des Landes an die EU. Nun kann sich auch die Regierung in Kiew vorstellen, den Handelspakt voranzutreiben - für viel Geld.

Die von Oppositionsprotesten erschütterte Ukraine fordert von der Europäischen Union Hilfskredite im Umfang von etwa 20 Milliarden Euro. Das Land würde das Geld brauchen, wenn es einen Handelspakt mit der EU unterzeichnen sollte, wird Ministerpräsident Mikola Asarow von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert.

Im vergangenen Monat hatte die Ukraine von dem geplanten Assoziierungsabkommen mit der EU Abstand genommen und eine engere Kooperation mit Russland angekündigt. Diese Entscheidung war einer der Auslöser für die gegenwärtigen Proteste in der Ukraine. Seit Tagen demonstrieren Oppositionelle auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew für eine Annäherung ihres Landes an die EU - und den Rücktritt des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Einer der prominenten Vertreter der Oppositionsbewegung ist der Boxweltmeister Vitali Klitschko.

Regierung will offenbar keine Eskalation

Angesichts der verfahrenen Lage setzt die Regierung in Kiew nun offenbar auf Taktik. Mit Blick auf das gestoppte Abkommen sagte Ministerpräsident Asarow bei einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung, "die Angelegenheit" könne "durch das Angebot von finanzieller Unterstützung an die Ukraine gelöst werden". Die "ungefähre Größenordnung", die Brüssel bereitstellen solle, liege bei 20 Milliarden Euro.

In seinen Äußerungen stellte Asarow einen direkten Zusammenhang zwischen der Forderung und dem Assoziierungsabkommen her. Die Regierung hatte am Dienstag angekündigt, heute eine Delegation nach Brüssel zu schicken; eine weitere Abordnung soll zeitgleich zu Gesprächen nach Moskau reisen.

Präsident Janukowitsch hatte unter dem Druck Moskaus Ende November die Vorbereitungen für das Abkommen überraschend gestoppt. Die Opposition verlangt seinen Rücktritt, weil er das Land nicht wie gefordert zum Westen öffne, sondern stärker an Russland binde.

Kiew international am Pranger

Die Lage in Kiew ist derzeit unübersichtlich, aber offenbar halten sich die Sicherheitskräfte mit offener Gewalt gegen die Demonstranten zurück - vielleicht auch, weil die Regierung in Kiew international hart für ihr Vorgehen gegen die Opposition kritisiert worden war. In der Nacht hatten Spezialeinheiten den Unabhängigkeitsplatz gestürmt, Barrikaden geräumt und Zelte abgerissen. Auf dem Platz ausharrende Demonstranten wurden mit Schilden abgedrängt. Laut dem Führer der nationalistischen Swoboda-Partei, Oleg Tjagnibok, wurden mehrere Demonstranten verletzt und mindestens elf festgenommen.

Am Morgen hieß es dann, die Führung ziehe einige Sondereinheiten teilweise wieder ab. An dem von Regierungsgegnern besetzten Bürgermeisteramt in Kiew stiegen Uniformierte wieder in ihre Busse. Die Polizeieinheiten zögen sich unter dem Druck der Demonstranten zurück, berichtete auch ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP.

Es werde keine Gewalt gegen friedliche Demonstranten geben, sagte Asarow. Die Polizei habe lediglich Wege von Barrikaden freigeräumt. Innenminister Witali Sacharatschenko sagte einer Mitteilung zufolge, der Platz der Unabhängigkeit werde nicht erstürmt.

Medien hatten noch am Morgen von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und den prowestlichen Demonstranten berichtet.

Wie viele Menschen genau seit Tagen bei Minusgraden in Kiew demonstrieren, ist unklar. AFP schätzte sie zuletzt auf mehr als 10.000. Die Ukraine hat schätzungsweise 45 Millionen Einwohner, Kiew etwa drei Millionen.

DPA · Reuters
anb/AFP/DPA/Reuters