In der Nacht auf den 2. Mai 2011 stürmten mehrere US-Spezialeinheiten auf Befehl des damaligen Präsidenten Barack Obama das Versteck von Osama bin Laden in Pakistan. Dabei wurde der al-Kaida-Anführer und Drahtzieher der Terroranschläge des 11. September 2001 mit Schüssen getötet. Was genau in dem dreistöckigen Haus in Abbottabad geschah, ist bis heute ungewiss. Die US-Regierung hat nur wenige Angaben zum genauen Ablauf gemacht. Die Leiche wurde wenige Tage später im Meer versenkt, die Fotos des Toten wurden - anders als etwa die von Saddam Hussein - nie veröffentlicht. Das neue Buch des Mannes, der behauptet, er habe bin Laden getötet, gibt einen weiteren möglichen Hinweis darauf, warum das so ist.

Robert O'Neill ging bereits vor einigen Jahren an die Öffentlichkeit und behauptete, er sei der Soldat, der bin Laden erschossen habe. Weil er dafür seine Schweigegelübde gebrochen hat, wurde er in den USA heftig kritisiert. In seinem neuen Buch "The Operater: Firing the Shots that Killed Osama bin Laden" geht er detailliert auf die Abläufe jener Nacht im Mai 2011 ein, wie unter anderem "Business Insider" und "New York Daily News" berichten. Demnach schlich O'Neill mit seinem Partner durch das Haus und traf zunächst bin Ladens Sohn Khalid, der ein Sturmgewehr in der Hand gehabt habe. Auf arabisch hätten sie "Khalid, komm her" geflüstert, was den jungen Mann dazu veranlasst hätte, seinen Kopf aus der Deckung zu erheben. Daraufhin hätten sie ihm ins Gesicht geschossen.
Schüsse in die Stirn von Osama bin Laden
Wenig später hätten sie das Schlafgemach Osama bin Ladens erreicht. Sein Begleiter habe sich auf zwei Frauen gestürzt, um diese zu isolieren und eine mögliche Explosion abzufedern, sofern sie Sprengstoffgürtel getragen hätten, schreibt O'Neill demnach. Bin Laden selbst habe hinter einer weiteren Frau Deckung gesucht. "In weniger als einer Sekunde zielte ich über ihre Schulter und drückte zweifach ab. Bin Ladens Kopf platze auf und er sackte zu Boden. Ich habe ihm eine weitere Kugel in den Kopf gejagt. Absicherung." Der Leichnam sei so ramponiert gewesen, dass bin Ladens Kopf zusammengehalten werden musste, um Fotos für die Identifizierung anzufertigen.
Die Frage, wer genau die tödlichen Schüsse auf den Terroristenführer abfeuerte, wird kontrovers diskutiert. O'Neills Beschreibung deckt sich aber mit einem ausführlich recherchierten Artikel von "The Intercept".
Zudem berichtete ein Autor der auf Militärthemen spezialisierten Webseite "Sofrep.com" bereits Anfang des Jahres, mehrere Soldaten des Einsatzes hätten abwechselnd ganze Magazine auf den bereits toten bin Laden abgefeuert. Bis zu 100 Kugeln hätten seinen Körper durchsiebt.
Sollten O'Neills Darstellungen und dieser Bericht zutreffend sein, könnte das Pentagon also die entstellten Fotos der Leiche zurückhalten, um sich nicht unangenehmen Fragen oder sogar einer Untersuchung der Vorfälle vom Mai 2011 ausgesetzt zu sehen. Zumal die Tötung bin Ladens ohne vorherigen Gerichtsprozess ohnehin von vielen Juristen als völkerrechtswidrig bezeichnet wurde. "Das Bild allein würde einen internationalen Skandal auslösen", schrieb der Sofrep-Autor.
