PORTRÄT Ungleiche Partner am Verhandlungstisch

Der »Eisschrank« und der »Wankelmütige« - Gerry Adams und David Trimble sitzen sich bei Verhandlungen um den nordirischen Friedensprozess gegenüber. Ob sie eine Sprache sprechen, muss sich noch weisen.

Egal, ob er den Friedensnobelpreis in Empfang nimmt oder ein Friedenspaket der britischen und irischen Regierung ablehnt - David Trimble (56) wirkt stets so, als bearbeite er einen Steuerbescheid. Als alle Welt den »historischen Durchbruch« des IRA-Entwaffnungsvorschlags bejubelte, gab er mit monotoner, emotionsloser Stimme und ohne eine Miene zu verziehen eine dürre Erklärung ab, in der er den Vorstoß der IRA als unzureichend bezeichnete. »Wie wünschten wir uns, dass er einmal - nur ein einziges Mal - der Situation angemessen reagieren und eine große Leistung feiern könnte«, seufzte der Kommentator des »Guardian«.

Bei Wagner und deutschem Rotwein

Aber das wäre nicht David Trimble mit dem Beinamen »der Eisschrank«. Wäre er jemals im politischen Geschäft aufgetaut, stünde er heute schon lange nicht mehr an der Spitze seiner zerrissenen Partei und hätte nicht bis zu seinem Rücktritt am 1. Juli eine Regierungskoalition aus ehemaligen Todfeinden anführen können. Dieser Mann entspannt sich nur zu Hause bei Wagner-Musik und einem Glas seines deutschen Lieblingsweins. Oft allerdings kommt das nicht vor; Trimble ist ein unermüdlicher Arbeiter. Seine Frau Daphne hat ihren gut bezahlten Job als Anwältin aufgegeben, um als Sekretärin im Büro seines Wahlkreises zu arbeiten: »Ich dachte, da habe ich vielleicht mal die Möglichkeit, mit ihm zu reden.«

Briefe werden eigenhändig verteilt

Der Mann mit der Hornbrille hat kein einnehmendes Wesen. Als US- Präsident Bill Clinton, ein hartnäckiger Vermittler zwischen den Konfliktparteien, vor einigen Monaten seine Abschiedsrede in Nordirland hielt,

sah Trimble mittendrin auf die Uhr und verschwand. Er habe noch einen Termin gehabt, ließ er mitteilen. Trimble hat in der Politik keine Freunde, nur Verbündete. Er ist misstrauisch und kann schwer delegieren. Als Regierungschef verteilte er im riesigen Stormont-Palast auf den Hügeln von Belfast manchmal selbst seine Briefe, anstatt einen Boten oder eine Sekretärin zu schicken.

Das Pendant: Gerry Adams

Vor 15 Jahren schwor Gerry Adams seinen Getreuen: »Wenn sich Sinn Fein zu irgendeinem Zeitpunkt entschließen sollte, den bewaffneten Kampf aufzugeben, wäre ich kein Mitglied mehr.« Jetzt hat die IRA einen offenbar beachtlichen Teil ihrer Waffen abgegeben - und Adams ist nicht nur weiterhin Präsident von Sinn Fein, dem politischen Flügel der IRA, er ist sogar neben Chefunterhändler Martin McGuinness der Mann, der diese »historische Wende« herbeigeführt hat. Das Paradoxe daran ist: Ausgerechnet eine andere Terrororganisation, Osama bin Ladens El Kaida, hat wesentlichen Anteil daran, dass die IRA ihre Ziele künftig nur noch mit friedlichen Mitteln verfolgen will.

Adams, der einst ebenso wie McGuinness als IRA-Terrorist auf britische Soldaten geschossen haben soll, nutzt seit dem 11. September jede Gelegenheit, um zu erklären, dass er Terrorismus für »ethisch unvertretbar« hält. »Ohne die Anschläge in den Vereinigten Staaten wäre es sehr unwahrscheinlich gewesen, dass sich die IRA zum derzeitigen Zeitpunkt zu einem solchen Schritt bereitgefunden hätte«, erläuterte am Mittwoch Henry Patterson, Professor für Politik an der Universität Ulster.

Die US-Regierung von Präsident George Bush hatte nach den Anschlägen großen politischen Druck auf Sinn Fein ausgeübt, und die irisch-amerikanischen Geldgeber der Partei machten künftige Zahlungen von einer zügigen Entwaffnung der IRA abhängig.

Kein Verleger für die Memoiren

Die ganze Stimmung hatte sich plötzlich gewandelt. Für Adams? Memoiren fand sich kein Verleger mehr. Eine Rückkehr der IRA zu Bombenanschlägen und Attentaten schien jetzt auch als theoretische Möglichkeit auszuscheiden. Im Gegensatz zu El Kaida war die IRA nach den Worten eines britischen Generals seit jeher eine Terrorgruppe, »der es nicht darum ging, möglichst viele Menschen umzubringen, sondern darum, möglichst viele Menschen auf sich aufmerksam zu machen«. Ihr Ziel sei letztlich immer die Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess gewesen.

Triumph über Hardliner

Und so geschah nun, was noch vor kurzem kaum jemand für möglich gehalten hätte: Die IRA, nach ihrer eigenen Ideologie eine vollwertige Armee, gab Waffen, Munition und Sprengstoff ab, und Protestantenchef David Trimble, genannt »der Eisschrank«, taute auf: »Dies ist der Tag, von dem uns gesagt worden ist, dass er niemals kommen würde«, sagte der Friedensnobelpreisträger und lächelte. Es war die Stunde seines Triumphes über alle protestantischen Hardliner, die immer versichert hatten, die IRA werde nicht eine Patrone hergeben.

Doch der kühne Schritt birgt auch Gefahren. Der letzte Sinn Fein- Präsident, der eine Entwaffnung einleitete, der irische Freiheitsheld Michael Collins, wurde 1922 aus dem Hinterhalt erschossen. Radikale Gruppen, die sich von der IRA abgespalten haben, warfen Gerry Adams am Mittwoch »den größten Verrat der irischen Geschichte« vor. Geraldine Taylor, eine ehemalige Weggefährtin, die jetzt die Terrorgruppe »Continuity IRA« unterstützen soll, schäumte: »Das ist eine Übergabe der Waffen, während der Feind noch das Land besetzt hält.«