Serbien steht beim zweiten Durchgang der Präsidentenwahl vor der Entscheidung über eine engere Anlehnung an Russland oder die EU. Wie schon vor vier Jahren machen der Nationalist Tomislav Nikolic und der pro-westliche Präsident Boris Tadic das Rennen um das Präsidentenamt unter sich aus. Politikexperten zufolge liegt die Entscheidung über den Wahlausgang am 3. Februar in den Händen des mit Tadic verbündeten nationalistischen Regierungschefs Vojislav Kostunica, der jetzt den Drittplatzierten Velimir Ilic unterstützt hatte. Nikolic, Tadic und Kostunica lehnen die Unabhängigkeit des Kosovo ab, deren Ausrufung mit Unterstützung des Westens nach dem zweiten Wahlgang erwartet wird.
Nur zwei von neun gehen in die Stichwahl
Als einzige der neun Kandidaten qualifizierten sich laut Endergebnis Nikolic mit 40 Prozent und Tadic mit 35,4 Prozent für die Stichwahl. Tadic steht für eine Mitgliedschaft der früheren jugoslawischen Teilrepublik in der EU, obwohl deren Mehrheit wie auch die USA die Unabhängigkeit des überwiegend von Albanern bewohnten Kosovo befürworten. Der amtierende Präsident sagte jetzt, seine Landsleute stünden vor der Entscheidung für oder gegen die EU. "Einen dritten Weg gibt es nicht."
Ähnlich kommentierte auch EU-Chefdiplomat Javier Solana in Brüssel den Ausgang der Wahl. Er sehe die Zukunft der Balkan-Republik mit Zuversicht. Solana begrüßte die relativ hohe Wahlbeteiligung von 61 Prozent als Ausweis der politischen Reife des serbischen Volkes. Experten in Belgrad erwarten am 3. Februar eine noch höhere Beteiligung.
Nikolic war im Wahlkampf für einen Kurs der Mitte zwischen der EU und Russland, den einzigen Verbündeten Serbiens, eingetreten. Die Serben hätten sich für beide Optionen entschieden, sagte Nikolic und fügte hinzu: "Der Weg nach Russland ist derzeit offener, und ich werde uns den Weg in die Europäische Union ebnen." Er wies Vorwürfe Tadic’ zurück, Serbien in Isolierung und Krieg zu treiben.
Viele Serben sind der Ansicht, ihr Land sei für seine Rolle in den Balkankriegen der 90er Jahre genügend gestraft. Sie streben in ihrer Mehrheit in die EU. Offen ist allerdings, ob die Serben den Besitz des Kosovo wichtiger erachten als die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft. Die Serben sehen in der Provinz die Wiege der Nation.
Richtungswahl für oder gegen Europa
Wie die EU begrüßte auch die Bundesregierung die hohe Wahlbeteiligung. Dies zeuge vom Willen der Serben, die Entwicklung in ihrem Land aktiv zu gestalten, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger. Viele Medien hätten die Wahl als Richtungswahl für oder gegen Europa beschrieben. "Wir glauben, dass die Zukunft Serbiens in der EU liegt. Wir werden Serbien auch weiterhin auf diesem Weg unterstützen." Die Wahl, ob sie diesen Weg mitgehen wollten, liege nun bei den Bürgern Serbiens.