PRESSESCHAU 30.03.: Bush auf Konfrontationskurs

Die Presse in den europäischen Nachbarländern kommentiert die Umweltpolitik von US-Präsident George W. Bush und die Spirale der Gewalt in Israel.

»Le Soir«: Bush gegen den Rest der Welt

Die belgische Zeitung »Le Soir« kommentiert die Haltung des US-Präsidenten zum Klimaschutz: »Alle Länder auf der Welt haben begriffen, dass Umweltschutzfragen und insbesondere die Klima-Erwärmung globale Phänomene sind. Sie kennen keine Grenzen. ... Wenn sich die Atmosphäre aufheizt, betrifft dies die Bewohner von Bangladesch genauso wie jene von Florida. Für die einen kommt es in Form katastrophaler Überschwemmungen daher, für die anderen als tödliche Wirbelstürme. In beiden Fällen steckt dahinter der Treibhauseffekt. Aus diesem Grund kann man dagegen nur mit Hilfe internationaler Verhandlungen angehen. Einzig George W. Bush glaubt, dass man dem Treibhauseffekt mit einer Politik des Isolationismus begegnen kann.«

»The Guardian«: Bush noch unfähiger als erwartet

Der liberale britische »Guardian« schreibt am Freitag zur Umweltpolitik von US-Präsident George W. Bush: »Urplötzlich, innerhalb von zwei kurzen Monaten, ähnelt die wichtige US-Nation einem Randstaat. Die Entscheidung von Präsident Bush gegen das Umweltabkommen von Kyoto ist erschreckend. Sie bedeutet einen enormen, möglicherweise endgültigen Rückschritt für die Bemühungen, die Auswirkungen der Erderwärmung zu begrenzen. Wenn Bush nicht beabsichtigt hat, international so große Unruhe auszulösen, dann ist er noch unfähiger im Amt, als bisher angenommen. Hier geht es um eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit. Auch Demut ist gefragt. Weisheit steht auf einem ganz anderen Blatt. Anstatt die internationale Staatengemeinschaft zu führen, scheint Bush zunehmend auf Konfrontationskurs zu gehen.«

»Tages-Anzeiger«: Klima-Schutz auch ohne die USA

Der »Tages-Anzeiger« aus Zürich kommentiert am Freitag die Klimaschutz-Entscheidung der neuen US-Regierung: »Die Chancen, dass sich die Amerikaner umstimmen lassen, sind allerdings gering. Das Kyoto-Protokoll, das eine Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgas durch die Industriestaaten bis im Jahr 2010 vorsieht, wird ja nicht nur durch die Bush-Administration, sondern auch durch den US-Kongress mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Rezession, die sich in Amerika abzeichnet, dürfte den Widerstand gegen kostspielige und unpopuläre Energiesparmaßnahmen noch verstärken. Damit werden die USA, die nur vier Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, aber rund ein Viertel aller Treibhausgase ausstoßen, wohl auch in den kommenden Jahren an ihrer egoistischen und rücksichtslosen Verschwendungspolitik festhalten. ... Das Kyoto-Protokoll kann auch ohne US-Zustimmung in Kraft treten. Die EU hat in der globalen Klimapolitik eine Führungsrolle übernommen. Wenn sie jetzt die Vereinbarung unterschreibt, hätte das Signal- und Vorbildwirkung. Länder wie Japan, Kanada und Australien haben bereits signalisiert, dass sie sich der EU anschließen wollen.«

»Der Standard«: Israelis und Araber verfeindeter denn je

Israelis und Araber seien verfeindeter denn je, beklagt die liberale österreichische Zeitung »Der Standard« am Freitag: »Die Radikalisierung der arabischen Straße, die durch den Friedensprozess erst einmal abgebremst wurde, ist wieder in vollem Gange. Die Verquickung der Palästinenserfrage mit dem ungelösten Irak-Problem musste von den einschlägigen Politikern nicht einmal aufwendig betrieben werden, sie ergab sich von selbst. Wieder sehen sich Millionen Araber und Muslime über die Identifikation mit den Palästinensern - den Besetzten - und den Irakern - den Ausgehungerten - als Opfer und stoßen damit auf völliges Unverständnis in der westlichen Welt, wo sie nur als Täter - die, die Israel nicht haben woll(t)en - gesehen werden. Genauso geht es den Israelis in der islamischen und arabischen und überhaupt in der Dritten Welt, wozu noch die zahlenmäßige Unterlegenheit und das schreckliche Leiden daran kommt, dass dort nicht einmal die aus einem anderen Kontext stammende Opferrolle - der Holocaust - anerkannt wird. Die ungeschriebene Einsicht von Oslo, dass man Täter und Opfer zugleich sein kann, scheint wie eine Erinnerung an ferne Zeiten.«

»Il Messaggero«: Physische Vernichtung des Feindes

Zur Spirale der Gewalt in Israel schreibt am Freitag die römische Zeitung »Il Messaggero«: »Jassir Arafat besichtigt seine Wohnung in Gaza: Eine Rakete hat die Fensterscheiben zu Bruch gehen lassen. Eine klare Botschaft von Ariel Scharon. Arafat war beim arabischen Gipfel in Amman, als der Angriff erfolgte. Er war also nicht persönlich im Visier. Aber eines Tages, das lassen ihn die Israelis damit wissen, könnte er dort sehr wohl enden. ... Die physische Vernichtung der Feinde, die Politik, die der Ex-Premier Barak zuletzt eingeleitet hatte, wird von Scharon angewendet werden, und nach Meldungen des israelischen Militärsenders, der sich auf Quellen in Verteidigungskreisen stützt, wird sie in den nächsten Tagen beginnen.«