Pressestimmen zum Anschlag "Europa darf nicht vor radikalen Spinnern in die Knie gehen"

Internationale Medien rufen nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" zur Verteidigung von Meinungsfreiheit und Toleranz auf. Französische Medienhäuser wollen das Blatt retten.

Nach dem Terroranschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" zeigt sich die französische und internationale Presse tief erschüttert und verurteilt die brutalen Morde an den französischen Kollegen. Sie ruft auf zur Verteidigung von Meinungsfreiheit und Toleranz. Mahnt aber auch, Fanatiker und Muslime nicht in einen Topf zu werfen. Große französische Medienhäuser wollen die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" am Leben halten und haben dem Magazin das notwendige Personal und Sachmittel zugesagt.

Frankreich

"Le Figaro: "Uns wurde der Krieg erklärt: Der Krieg des islamischen Fanatismus gegen den Westen, gegen Europa und gegen die Werte der Demokratie. (...) Wir müssen uns moralisch gegen die niederträchtigen Verbrechen dieser Barbaren wappnen, die als Frömmler verkleidet sind. (...) Zu lange sind wir im Namen eines irregeleiteten Humanismus unseren schlimmsten Feinden entgegengekommen. Wir müssen gegen diese Fanatiker hart durchgreifen, die sich offen gegen unser Land und unsere Sicherheit verschwören. Wenn es Krieg gibt, muss man ihn gewinnen."

"Libération"

: "Sie haben 'Charlie' angegriffen und damit die Toleranz, die Ablehnung von Fanatismus und Dogmatismus. Sie haben diese offene, religionsfreie und friedfertige Linke angegriffen, die sich sicherlich über den Zustand der Welt empört, sich jedoch lieber darüber lustig macht, als anderen ihren Katechismus aufzuzwingen."

"La Croix"

: "Dieses Attentat in Paris kann die Ablehnung der muslimischen Gemeinschaft verschärfen. Der Anschlag kann auch zu einer Bürgerbewegung der Solidarität gegen diese Terroristen führen, die mit der Ermordung einiger Menschen die ganze Gesellschaft im Visier haben, ihren Lebensstil und ihre Werte."

Großbritannien

"Independent": "Alle Presseorgane, in der arabischen Welt ebenso wie im Westen, sollten die ermordeten Zeichner von 'Charlie Hebdo' als Märtyrer betrachten. Sie sollten die Standfestigkeit dieser Satiriker als die wagemutigsten Journalisten in Europa würdigen. (...) Mit dem Erstarken islamistischer Terrorgruppen und Angriffen auf Zeitungsredaktionen haben andere Publikationen Rücksicht auf muslimische Empfindlichkeiten genommen. "Charlie Hebdo" hat dies trotz der Warnungen der Polizei abgelehnt."

"Guardian"

: "Wenn es eine Sache gibt, die 'Charlie Hebdo' nie genommen werden kann, dann ist es sein Mut. Seine Courage aufzustehen für Meinungsfreiheit gegenüber viel Druck und Gefahren. (...) Man fragt sich, wie so ein traumatischer Anschlag in der Zukunft Auswirkungen auf Entscheidungen von Pariser Redakteuren haben könnte: werden Leben in Gefahr gebracht, wenn etwas, das Fanatikern als inakzeptabel erachten, veröffentlicht wird?"

Italien

"La Stampa": "Es ist der 11. September von Paris. Er ist gekommen, während Frankreich eine nur auf den ersten Blick literarische Debatte führte: Ja oder Nein zum letzten Roman von Michel Houellebecq, in dem die künftige "Unterwerfung" des Landes unter die Muslime beschrieben wird. In Wirklichkeit hat sich auch dank dieses Buches der Nervenkrieg, der die französische Seele beschäftigt, gezeigt: Immigration, Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Verlust der Identität."

Ungarn

"Nepszabadsag": All diesen Morden und Akten der Aggression ist gemeinsam, dass die Täter und ihre Anstifter keine Meinung dulden, die von der ihrigen abweicht. Sie wollen die Verbreitung von ihnen nicht genehmen Informationen unterdrücken. Jeder zum Verstummen gebrachte Reporter und Kommentator ist ein Verlust für uns, weil dadurch unser Wissen über die Welt lückenhafter, unser Denken ärmer und unsere Meinungsbildung spekulativer wird. Deshalb dürfen wir das nicht zulassen."

Niederlande

"De Telegraaf": "Die Freiheit im Westen ist einmal mehr zum Angriffsziel geworden, aber sie wird niemals vernichtet werden. (...) Der Anschlag in Paris zeigt, wie akut diese Gefahr ist. Das muss zu einem härteren Vorgehen führen mit einem besseren und sichtbaren Schutz gefährdeter Objekte. Glaubensbarbaren, die auf unsere Vernichtung aus sind, müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft und ausgeschaltet werden. Wir sind es uns selbst schuldig, das freie Wort um jeden Preis zu verteidigen. Wir lassen uns keine Angst machen." 

Österreich

"Die Presse": "Europa darf nicht vor radikalen Spinnern, die Grundwerte wie die Meinungsfreiheit mit Kalaschnikows attackieren, in die Knie gehen. Das sind wir den mutigen Kollegen von 'Charlie Hebdo' schuldig. Möge ihnen keiner posthum auch nur hinter vorgehaltener Hand vorwerfen, sie hätten ihr Schicksal herausgefordert. Denn nur solange wir über alles lachen dürfen, sind wir frei."

"Der Standard"

: "Die vielen Muslime und Musliminnen, die in Europa leben, sind heute keine anderen, als sie gestern waren: Das als Maxime des Denkens und Handelns am Tag nach dem Attentat in Paris von reflektierenden Menschen einzufordern ist möglich - und die Mehrheit wird es auch so halten. Dennoch ist zu fürchten, dass das Morden in der Redaktion von 'Charlie Hebdo', das unter dem Ruf der Rache für den Propheten des Islam verübt wurde, in der Zukunft einmal als Wendepunkt der Beziehung zwischen Nichtmuslimen und Muslimen in Europa ausgemacht werden wird."

Deutschland

"Tagesspiegel": "Für Mord und Terror gibt es keine Rechtfertigung. Deshalb verbietet sich jede anklagende Ursachenforschung. Wer jetzt mit erhobenem Zeigefinger über Integrationsprobleme, Diskriminierung, hohe Arbeitslosigkeit, die Rhetorik von Le Pen oder blasphemische Zeichnungen redet, verwischt die Grenze zwischen Gesellschaft und Gewalt. Ebenso grotesk wäre es, zur Erklärung der Taten aus dem Koran zu zitieren, um den Islam als latent gewalttätige Religion zu entlarven, dessen Anhänger das Abendland unterwandern und dessen Werte abschaffen wollen. Leider besteht die Gefahr, dass sich genau diese zwei Lager durch den Anschlag radikalisieren. Was stattdessen nottäte, wäre eine gemeinsame Wiederentdeckung der Meinungsfreiheit und der Religionsfreiheit."

"Bild"

: "Freiheit ist ein Fest der Vielfalt. Die Terroristen wollen einen globalen Gottesstaat, in dem radikal-islamische Gesetze den Alltag regeln und einschnüren. Das Einzige, was wir dagegen tun können, ist, furchtlos so zu leben, wie wir leben. Schreiben, was wir schreiben wollen. (...) Der Preis dafür kann in der Welt des Terrors immer das Leben sein, das müssen wir stets wissen. Aber wenn wir nicht bereit sind, ihn zu zahlen, sind wir auch nicht frei."

"Berliner Zeitung"

: "Die Toten von Paris sind Helden. (...) Wie jeder gewaltsame Tod ist auch ihr Tod vollkommen sinnlos. Wer immer jetzt versucht, sie für seine Zwecke zu vereinnahmen, begeht einen Frevel. Wir sollten hoffen, bitten und - in jeglicher Religion dieser Welt - beten, dass diese Tat nicht von den falschen Menschen für falsche Politik oder gar falsche neue Taten missbraucht wird. (...) Wir, jeder Einzelne, aber auch wir Medien, sollten also die Demokratie und die Freiheit, zu der elementar die Meinungsfreiheit gehört, verteidigen und unser Recht auf eben diese Meinungsfreiheit wahrnehmen."

"Westdeutsche Zeitung"

: "Der Massenmord an der Redaktion des Satire-Magazins 'Charlie Hebdo' ist Teil des islamistischen Krieges gegen die westliche Zivilisation und alle demokratisch gesinnten Muslime. Es ist an der Zeit zu akzeptieren, dass wir diesem Krieg nicht ausweichen können. Der auf das Herz der Demokratie zielende Terrorakt von Paris macht nur einmal mehr deutlich, dass die letzte Linie schon lange überschritten ist."

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