Eigentlich ist noch Nacht, wenn Alexej Nawalnyj, der berühmteste politische Gefangene Russlands, mit Popmusik geweckt wird. Morgens um fünf Uhr erschallt zunächst der Befehl "Aufstehen" durch das Straflager Nummer 3 in der Arktis, danach ertönt die russische Hymne. Anschließend wummert "das zweitwichtigste Lied des Landes" durch die Baracken, wie Nawalnyj auf seiner Facebook-Seite schrieb. Es heißt "Ich bin Russe", der Refrain geht so: "Ich bin Russe, ich habe Glück. Ich bin Russe, der Welt zum Trotz." Ein Gute-Laune-Song für Putin-Anhänger, eine Selbstbejubelung mit des Kremls Gnaden. Nawalnyj im Straflager kann darüber lachen.
Der Sänger des Russen-Hits heißt Jaroslaw Dronow, ein junger Mann, der aus einer Kleinstadt im Moskauer Umland stammt. Auf der Bühne wirkt er wie eine Mischung aus Rammstein und Kosakenchor. Gerne tritt er in einem Hemd über der engen Lederhose auf, mit großem Holzkreuz auf der Brust. Anfangs trug er die blonden Haare noch in Dreadlocks, aber diese Frisur war offenbar zu wenig russisch für einen russischen Patrioten. Sie wich bald einem strengen Scheitel.