Proteste gegen Ägyptens Militärregierung Der Tahrir-Platz füllt sich wieder

Wieder haben hunderte Menschen den Tahrir-Platz in Kairo besetzt. Zusammenstöße mit der Armee forderten erstmals ein Todesopfer. Der Bruch mit dem alten Regime ist in Ägypten ein langwieriger Prozess.

In Ägypten wächst die Unzufriedenheit mit der Übergangsregierung: Tausende Demonstranten haben sich über das Wochenende wieder auf dem Tahrir-Platz in der Hauptstadt Kairo versammelt, um ein Ende der Militärherrschaft und die rasche Formierung eines Bürgerrats zu fordern. Wiederholte Drohungen des Militärs, den Platz notfalls mit Gewalt zu räumen, ignorierten sie. Die Demonstranten fordern den Rücktritt des Militärratschefs, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, der gleichzeitig Verteidigungsminister Ägyptens ist - wie auch schon unter dem gestürzten Präsidenten Husni Mubarak.

Bei der gewaltsamen Auflösung einer der größten Demonstrationen seit dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Mubarak kamen am Freitag Ärzten zufolge zwei Menschen ums Leben. 13 weitere Männer wurden demnach verletzt. Soldaten und Polizisten gingen mit Elektroschockwaffen und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. Am Samstag kündigte der Militärrat an, den Tahrir-Platz noch am Abend zu räumen. "Aber nichts passierte", sagte ein Demonstrant. Sie würden mit ihrer Sitzblockade weitermachen, bis ihren Forderungen nachgegeben werde. "Zuallererst muss der Feldmarschall gehen", fügte er hinzu. "Mubarak muss der Prozess gemacht werden und ein Bürgerrat muss für die Übergangszeit eingerichtet werden."

Der ägyptische Militärrat hatte nach der Machtübernahme am 11. Februar zunächst breite Unterstützung erfahren, bis am Freitag erneute Unruhen ausbrachen. Die Übergangsregierung hat zwar freie und gleiche Parlamentswahlen für September angekündigt. Nach den Freitagsgebeten waren aber wieder Hunderttausende durch die Stadt gezogen und hatten der Militärführung vorgeworfen, sie sei "Teil des korrupten Regimes" gewesen und habe von Mubarak profitiert. Die Armee dagegen sagte, die Gewalt ginge von Mubarak-Unterstützern aus. Sie habe keine scharfe Munition eingesetzt, als sie versucht habe, die Demonstration auf dem Tahrir-Platz aufzulösen. Die Soldaten hätten nur mit Platzpatronen in die Luft geschossen.

Panzer-Aufgebot in Syrien

In Syrien verschärften die Truppen Präsident Baschar al-Assads ihr Vorgehen gegen die Demonstranten. Um weitere Unruhen zu unterbinden, wurden in der Nacht zum Sonntag in der am Mittelmeer gelegenen Stadt Banias Panzer aufgefahren. In der Stadt steht eine der beiden Ölraffinerien des Landes. Bei einem Angriff auf Bewacher vor einer Moschee in Banias wurden am Sonntag Augenzeugen zufolge fünf Menschen verletzt. Auch in der zentral gelegenen Provinz Homs, nördlich der Hauptstadt Damaskus, wurde ein Aufmarsch von Sicherheitskräften beobachtet.

Nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation in Syrien wurden 26 Demonstranten am Freitag in der im Süden gelegenen Stadt Deraa getötet und zwei weitere in Homs. Zudem seien insgesamt 13 Menschen in den vergangenen zehn Tagen festgenommen worden. Die syrische Regierung hinderte Journalisten daran, aus Deraa zu berichten, und auch die Telefonleitungen schienen gekappt zu sein. Am Samstag schossen Sicherheitskräfte in Deraa Augenzeugenberichten zufolge mit scharfer Munition auf die Teilnehmer eines Trauerzuges nach einer Massenbeerdigung. Einheimische berichten davon, dass die Menschen es vermeiden würden, Verletzte ins staatliche Krankenhaus zu bringen. Denn dort, so befürchteten sie, würden Sicherheitskräfte sie dann gefangen nehmen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte in einem Telefongespräch mit Assad, er sei "in hohem Ausmaß beunruhigt über die jüngsten Berichte über die Gewalt gegen Demonstranten". Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verurteilte die Gewalt und mahnte politische Reformen in Syrien an.

Golfstaaten beraten über Jemen-Initiative

Auch im Jemen kam es wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Bei den Kämpfen in der Hauptstadt Sanaa und der etwas weiter südlich gelegenen Stadt Tais kam mindestens eine Person ums Leben, Dutzende weitere Menschen wurden verletzt, wie Ärzte und Augenzeugen der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Die Zahl der in dieser Woche Getöteten summiert sich damit auf mindestens 27. Die Demonstranten fordern dort seit Wochen den Rücktritt von Präsident Ali Abdullah Saleh, der sich aber auch nach Vorlage eines Vermittlungsplans von Golfstaaten unnachgiebig zeigt. Die Golfstaaten wollten sich laut dem Ministerpräsidenten von Katar, Scheich Hamad bin Jassim al-Thani, am Sonntag in Saudi-Arabien treffen, um ihre Jemen-Initiative zu diskutieren.

DPA · Reuters
Reuters/DPA