Muslime in Deutschland haben den zweiten Tag in Folge gegen das in den USA produzierte Schmähvideo über den Propheten Mohammed demonstriert. In Dortmund zogen am Samstag 1500 Muslime friedlich durch die Innenstadt, in Karlsruhe startete ein Protestzug mit zunächst 200 Teilnehmern. Auf Plakaten in Dortmund hieß es: "Nein zu Gewalt, Ja zu Toleranz." Die Demonstranten riefen "Respekt für alle Religionen. Stoppt den Film, stoppt den Spott!" In einem Flugblatt forderten sie ein Gesetz, das das Verspotten und Schmähen von heiligen Symbolen aller Religionen untersagt.
Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kritisierte die Gewalt im Namen der Religion. "Die größte Beleidigung für eine Religion ist es, in ihrem Namen Gewalt auszuüben", sagte er der "Bild". Die Bundesregierung will eine öffentliche Aufführung des Films, wie es die rechtspopulistische Splitterpartei "Pro Deutschland" in Berlin plant, weiter verhindern. "So einen Film darf man nicht zeigen", forderte Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) in dem Blatt. "Wir sollten nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen", sagte er. "Derjenige, der sich in dieser Frage auf grenzenlose Meinungsfreiheit beruft, hat keine Ahnung, welche Konflikte dadurch noch provoziert werden können."
Festnahme nach Enthauptungsaufruf in Frankreich
In Frankreich waren am Samstag jegliche Protestaktionen verboten. Die Polizei nahm einen Mann fest, der im Internet zur Enthauptung des für die aktuelle "Charlie Hebdo"-Ausgabe verantwortlichen Redakteurs aufgerufen hatte. Das Satire-Blatt hatte bewusst eine Reihe umstrittener Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Wie am Samstag aus Justizkreisen in Paris verlautete, hatte der Mann auf einer Islamisten-Website dazu aufgefordert, den Leiter der Zeitung zu köpfen.
Bei den Franzosen selbst stößt die Veröffentlichung der derben Karikaturen auf ein unterschiedliches Echo. Nach einer am Samstag veröffentlichten Umfrage der Tageszeitung "Sud-Ouest" befürworten 51 Prozent der Befragten die Publikation durch das Satire-Blatt "Charlie Hebdo". Gleichzeitig glauben 47 Prozent der Franzosen, die Veröffentlichung könnte in der aktuellen Situation zu neuen Spannungen führen.
Libysche Bürger stürmen Milizen-Hauptquartier
In der islamischen Welt bleibt die Lage nach neuen antiwestlichen Massenprotesten gegen die Beleidigung des Propheten Mohammed mit vielen Toten und Verletzten angespannt. In Pakistan herrschte am Samstag erhöhte Alarmbereitschaft, nachdem bei Unruhen nach dem Freitagsgebet laut Zeitungsberichten mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen waren. In Bangladesch rief eine Allianz von zwölf islamischen Parteien für Sonntag zu einem landesweiten Generalstreik auf.
Im libyschen Bengasi, wo vor zehn Tagen ein wütender Mob das US-Konsulat angegriffen und den US-Botschafter Chris Stevens sowie drei weitere Amerikaner getötet hatte, demonstrierten am Freitagabend rund 20.000 Menschen gegen Gewalt und islamistische Milizen. Nach der Großdemo stürmten Hunderte aufgebrachte Bürger das Hauptquartier der Miliz Ansar al-Scharia. Die Islamisten stehen im Verdacht, an dem Angriff auf das Konsulat beteiligt gewesen zu sein. Mindestens drei Menschen wurden bei Schusswechseln getötet und 20 weitere verletzt, wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete.
Sudan veurteilt Angriff auf Deutsche Botschaft
Angesichts der anhaltenden Unruhen mahnte Bundesaußenminister Guido Westerwelle deutsche Unternehmen in islamischen Ländern zur Vorsicht. "Wir raten unseren Landsleuten in den betroffenen Ländern in dieser Zeit zu besonderer Wachsamkeit", sagte Westerwelle der "Wirtschaftswoche". Er sei überzeugt, dass die große Mehrheit der Muslime Gewalt ablehne. Doch sei nicht auszuschließen, dass radikale Kräfte weiterhin auf Eskalation setzten.
Die Bundesregierung hatte bereits für die deutschen Botschaften in der Region die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Die deutsche Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum war vor gut einer Woche von einem wütenden Mob angegriffen und in Brand gesetzt worden. Das Außenministerium des Sudan verurteilte inzwischen erstmals den Angriff. Er verstoße gegen die Ideale und die Ethik des Islam, heißt es in einem Schreiben an Bundesaußenminister Westerwelle, das der "Welt am Sonntag" vorlag. Der Sudan werde sich an der Beseitigung der Schäden am Botschaftsgebäude finanziell beteiligen.