Proteste in Ägypten El Baradei fordert Mubarak heraus

Der Protest in Ägypten erhält ein prominentes Gesicht. Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei ist nach Kairo gereist und hat sich bereit erklärt, eine Übergangsregierung anzuführen. Der Freitag könnte derweil zum Tag der Entscheidung werden.

Der Druck auf Ägyptens Präsident Husni Mubarak wächst. Während sich die Proteste gegen das autoritäre Regime im ganzen Land ausweiten, traf Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei am Donnerstagabend in Kairo ein. Der frühere Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, der sich an die Spitze der Protestbewegung stellen will, sagte, Ägypten stehe an einem Scheideweg.

Bei seiner Ankunft in Kairo äußerte sich El Baradei zunächst nicht näher zu seinen Plänen. "Es ist ein Prozess", sagte er lediglich. Mit Blick auf die Staatsführung betonte der Diplomat: "Eine Hand ist ausgestreckt, aber die Führung muss verstehen, dass Wandel absolut notwendig ist." Es gebe keinen Weg zurück. Nach Angaben des TV-Senders Al Arabiya erklärte sich der 68-Jährige bereit, eine Übergangsregierung zu führen, falls er darum gebeten werde.

El Baradei, der in Begleitung seiner Ehefrau aus Wien kam, sagte, er hoffe auf einen friedlichen Machtwechsel in Ägypten. Anders als bei seiner Rückkehr im Februar vergangenen Jahres wurde er diesmal nur von Reportern empfangen. Damals hatten ihn auch Hunderte von Regimekritikern erwartet.

Aufruf zu Massenprotesten am Freitag

Mehrere Protestgruppen haben für diesen Freitag in Kairo und anderen Städten zu neuen Massenkundgebungen aufgerufen. Sie forderten die Bürger auf, nach dem Freitagsgebet von den Moscheen aus loszumarschieren. Die Christen sollten nach dem Kirchgang auf die Straße gehen. Sicherheitskräfte sollen für Freitagmittag Gebete in den meisten Moscheen im Zentrum von Kairo sowie in größeren Moscheen im Land verboten haben, um Versammlungen von Demonstranten zu verhindern, berichtete die Website Akher al-Akhbar.

In Kairo sorgten Gerüchte für Aufregung, Präsidentensohn Gamal Mubarak habe sich mit Frau und Kind nach London abgesetzt – das wurde aber von Mubaraks Nationaldemokratischer Partei (NDP) umgehend dementiert. Die Regierung von Husni Mubarak hüllt sich derweil weiter in Schweigen. Mubarak hat sich seit Beginn der Proteste am Dienstag nicht öffentlich gezeigt. Am Samstag soll er in Kairo die Internationale Buchmesse eröffnen.

Das einzige Zugeständnis war am Donnerstag eine Meldung der staatlichen Medien, wonach das Parlament am kommenden Sonntag über Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, eine Anhebung des staatlichen Mindestlohnes und eine bessere Gesundheitsversorgung debattieren soll.

Bislang mindestens sieben Tote und 1000 Festnahmen

Am Donnerstag sorgten massive Polizeikräfte für gespenstische Ruhe im Zentrum von Kairo. In der Nacht zuvor waren bei Ausschreitungen in der Hauptstadt und auf dem Sinai mindestens zwei Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Vor dem Außenministerium in Kairo skandierten Demonstranten Slogans gegen die Regierung. In den Städten Ismailija und Suez kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei. Seit Beginn der Proteste am Dienstag - den größten seit der Machtübernahme von Mubarak vor 30 Jahren - gab es mindestens sieben Tote, etwa 1000 Menschen wurden festgenommen.

US-Außenministerin Hillary Clinton rief zu Reformen in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land auf. Zugleich appellierte sie an die Behörden, friedliche Demonstrationen und den Zugang zu sozialen Netzwerken und Informationsdiensten wie Facebook oder Twitter zuzulassen.

Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verlangte ein Ende der Gewalt gegen die Demonstranten. "Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind elementare Rechte eines jeden Menschen", erklärte sie in Brüssel. Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte im Bundestag, wer gegen die eigenen Bürger so vorgehe, fördere nur den Islamismus und eine weitere Radikalisierung.

In Jemens Hauptstadt Sanaa demonstrierten am Donnerstag Tausende Oppositionelle gegen die Politik von Präsident Ali Abdullah Salih. Bei einer Protestversammlung in der Nähe der Universität forderten rund 10.000 Demonstranten den Präsidenten zum Rücktritt auf. Auch in Tunesien dauern die Proteste gegen die Anhänger des gestürzten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali in der Übergangsregierung an. In Jordanien wollen Oppositionsparteien, Gewerkschaften und andere Gruppen nach dem Freitagsgebet zu Demonstrationen aufrufen, um Reformen zu fordern.

Kurseinbruch an Kairoer Börse

Die andauernden Proteste haben einen Kurseinbruch an der Börse in Kairo ausgelöst. Binnen zwei Tagen verloren die Titel ein Achtel ihres Wertes. Der Handel wurde am Donnerstag vorübergehend ausgesetzt, nachdem die Kurse in den ersten 15 Handelsminuten um mehr als sechs Prozent abgestürzt waren. Als der Handel wieder aufgenommen wurde, ging die Talfahrt rasant weiter. Am Ende hatte der Leitindex EGX30 um 10,5 Prozent im Vergleich zum Schlusskurs des Vortages nachgegeben.

DPA
mad/DPA/AFP